Der Todesflieger
lauschte.
Da war es wieder… Ein leises Kratzen, das langsam näher kam – wie die Krallen eines Tieres auf Steinboden.
Kalter Schweiß trat Pitt auf die Stirn. Zitternd preßte er sich gegen die feuchten Pflastersteine und zielte mit dem Messer in die Richtung, aus der das Geräusch kam.
Das Kratzen wurde lauter. Plötzlich verstummte es. Quälende Stille breitete sich aus.
Pitt hielt den Atem an, um besser lauschen zu können; doch alles, was er vernahm, war sein eigener Herzschlag. Irgend etwas stand ihm gegenüber, keine drei Meter von ihm entfernt.
Ein Gefühl der Verzweiflung und völliger Hilflosigkeit überkam ihn. Er fühlte sich wie gelähmt. Nur unter Aufbietung seines ganzen Willens vermochte er seine Furcht zu bezwingen.
Der Modergeruch wurde unerträglich und erstickte ihn fast.
Gleichzeitig nahm er schwach die Ausdünstungen eines Tieres wahr.
Sein Entschluß war rasch gefaßt. Er mußte alles auf eine Karte setzen. Er zog das Feuerzeug aus seiner Tasche, zündete einmal, zweimal, dann endlich brannte es. Er stand auf. Die kleine Flamme tanzte in der Luft, und zwei grüne Augen glühten auf. Ein übergroßer Schatten wuchs unheildrohend an der Wand hoch. Das Feuerzeug fiel zu Boden, die Flamme erlosch.
Ein leises, böses Knurren grollte aus der Richtung der Augen und hallte in dem steinernen Labyrinth wider.
Pitt reagierte augenblicklich. Er warf sich wieder zu Boden und rollte sich auf den Rücken.
Dann packte er das Messer fest mit beiden Händen und hielt es senkrecht über sich. Er wußte jetzt, wer sein Gegner war.
Das Untier hatte Pitt im Widerschein der Flamme erkannt. Es zögerte einen Moment, dann sprang es.
Das Zögern wurde ihm zum Verhängnis. Pitt hatte den Platz gewechselt, und der große Schäferhund sprang über ihn hinweg.
Pitt spürte nur, wie sein Messer durch etwas Weiches glitt und wie ihm eine schwere, warme Flüssigkeit ins Gesicht klatschte.
Er hatte den Hund genau hinter den Rippen erwischt und ihm mit einem einzigen Schnitt die ganze Flanke aufgerissen. Das tödlich verwundete Tier heulte gräßlich auf und brach hinter Pitt an der Mauer zusammen. Noch einmal schlug es wild um sich, bis es leblos liegenblieb.
Ein hundertfaches Echo antwortete seinem Todesschrei.
Zunächst war Pitt der Meinung, der Hund hätte ihn völlig verfehlt. Doch dann spürte er den stechenden Schmerz in seiner Brust. Er blieb reglos liegen und horchte auf den Todeskampf des Tieres. Eine Ewigkeit, so schien ihm, lag er so da – den Gang erfüllte längst wieder gespenstische Stille. Endlich legte sich seine Aufregung, und seine Muskeln entkrampften sich.
Der Schmerz wurde stärker; er machte Pitt seine verzweifelte Lage bewußt. Langsam erhob er sich und lehnte sich erschöpft gegen die vom Blut klebrige Wand. Ein neuer Schauer überlief ihn; und er mußte innehalten, bis seine Nerven sich beruhigt hatten.
Dann stolperte er ein paar Schritte nach vorn. Er tastete mit den Füßen auf dem Boden herum, bis er sein Feuerzeug gefunden hatte. Er zündete es an und inspizierte seine Verletzungen.
Vier tiefe Kratzwunden zogen sich von seiner linken Brust bis zur rechten Schulter. Sie bluteten ziemlich stark. Allerdings: Nur die Haut war aufgerissen, die darunterliegenden Muskeln waren unverletzt. Das blutdurchtränkte Hemd hing ihm in Fetzen vom Leibe. Er riß einige Streifen davon ab, um die Wunden notdürftig zu verbinden. Das war alles, was er im Moment tun konnte. Er war einer Ohnmacht nahe. Nur mit äußerster Willensanspannung gelang es ihm, sich auf den Beinen zu halten.
Nachdem er endlich wieder ein wenig zu Atem gekommen war, besah sich Pitt den toten Schäferhund. Es war ein schauerlicher Anblick. Der Hund lag auf der Seite. Aus seinem Bauch quollen die Eingeweide. Das Blut strömte hervor und rann in kleinen Bächen den Gang hinab auf eine unsichtbare Senke zu. Pitts Mattigkeit verflog bei diesem Anblick. Haß und Wut überkamen ihn und gaben ihm neue, ungeahnte Kräfte. Nur ein Gedanke beherrschte ihn:
Er würde sich an von Till rächen.
Was er als nächstes zu tun hatte, war klar: Er mußte unbedingt aus diesem Labyrinth herausfinden. Die Chancen dafür standen denkbar schlecht, fast schien es aussichtslos. Doch der Gedanke, er könnte scheitern, kam ihm kein einziges Mal. Allzu deutlich erinnerte er sich an von Tills Hinweise auf den nächsten Flug der
Albatros.
Er mußte es einfach schaffen. Sein Gehirn lief auf Hochtouren.
Da der verschlagene alte Mann inzwischen
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