Der Todesflieger
hervor, das er neben dem Tor ausbreitete, und entleerte darauf sorgfältig den Inhalt der Tasche. Geschickt befestigte er im Abstand von einem halben Meter zwei kleine Ladungen TNT an einem Gitterstab und steckte die Zündkapseln auf. Dann umwickelte er die Sprengladungen fest mit einem dicken Draht und umgab sie zu guter Letzt noch mit mehreren Schichten Klebeband. Sie glichen nun zwei überdimensionalen Kokons, die an einem Eisenstab hingen. Giordino überprüfte die Sprengsätze noch einmal und verband sie dann mit dem Draht des Zünders. Die ganze Arbeit hatte nicht mehr als sechs Minuten in Anspruch genommen. Mit einem selbstzufriedenen Lächeln bedeutete Giordino Pitt, hinter einer Stützmauer in Deckung zu gehen. Rückwärts gehend folgte er ihm dann selbst nach und rollte dabei das Zündkabel aus.
Kaum war er hinter der Mauer angekommen, packte Pitt ihn aufgeregt am Arm.
»Wie weit wird man die Explosion hören?«
»Wenn ich alles richtig gemacht habe«, erwiderte Giordino, »dürfte es in einer Entfernung von dreißig Metern etwa so laut wie ein Gewehrschuß klingen.«
Pitt sah sich rasch noch einmal um. Niemand war zu sehen. Er grinste Giordino an. »Ich hoffe, es ist nicht unter deiner Würde, ungebeten den Dienstboteneingang zu benutzen.«
»Wir Giordinos sind in Fragen der Etikette ziemlich liberal«, grinste der Kamerad zurück.
»Sollen wir?«
»Wenn du darauf bestehst.«
Sie gingen hinter der alten Mauer in Deckung. Mit den Händen stützten sie sich gegen die sonnenwarmen Steine, um gegen eine eventuelle Druckwelle gefeit zu sein. Dann legte Giordino den kleinen Plastikschalter des Sprengzünders um.
Selbst auf die kurze Entfernung von vier oder fünf Metern war von der Explosion nicht mehr als ein dumpfer Knall zu vernehmen. Kein Donnerschlag zerriß das Trommelfell, weder bebte die Erde noch drang eine schwarze Rauchwolke aus dem Gewölbeeingang heraus. Giordino hatte glänzende Arbeit geleistet.
Geräuschlos sprangen beide auf und huschten zu dem Gittertor hinüber. Das Klebeband hing zerfetzt und zu einem unentwirrbaren Knäuel verschmort an der Stange. Ein beißender Geruch hing in der Luft. Dünner Rauch kräuselte sich zwischen den Stäben hoch und verzog sich in das dunkle Innere des Gewölbes. Die Stange war unverändert an ihrem Platz.
Pitt sah Giordino fragend an. »War die Ladung zu klein?«
»Sie war mehr als ausreichend«, entgegnete Giordino selbstsicher. »Schau her.« Er trat mit der Ferse kräftig gegen den Eisenstab. Nichts rührte sich. Er trat noch einmal dagegen, diesmal fester. Sein Mund verzerrte sich, als seinen Fuß ein stechender Schmerz durchfuhr. Die Stange brach am oberen Ende heraus und knickte in einem rechten Winkel nach hinten ab. Giordino lächelte verkrampft. »Und nun zum nächsten Teil der Vorstellung…«
»Schon gut«, schnitt ihm Pitt das Wort ab. »Wir müssen uns beeilen. Bis die nächste Führung hier ist, müssen wir wieder zurück sein.«
»Wie lange brauchen wir denn bis zu von Tills Haus?«
Pitt kletterte bereits durch das Gitter. »Letzte Nacht bin ich acht Stunden lang herumgeirrt. Heute können wir es in acht Minuten schaffen.«
»Wie das? Hast du einen Lageplan dabei?«
»Etwas viel Besseres«, entgegnete Pitt grimmig. Dann deutete er auf die Tasche. »Gib mir die Lampe.«
Giordino brachte eine große, gelbe Taschenlampe zum Vorschein und reichte sie durch das Gitter. »Die wird unseren Ansprüchen ja wohl genügen. Wo hast du sie denn auf getrieben?«
»Ich habe sie mir auf dem Schiff ausgeliehen. Eigentlich ist sie eine Taucherlampe. Ich habe sie genommen, weil sie sehr stabil ist und enorm hell brennt.«
Giordino schlüpfte hinter Pitt zwischen den Gitterstäben durch. »Warte einen Moment. Ich will noch eben die Spuren unseres Einbruchs verwischen.«
Er löste die Überreste der Sprengladungen von der Eisenstange und verbarg sie unter einem Steinhaufen. Dann wandte er sich zu Pitt um. Es dauerte eine Zeitlang, bis sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten.
Pitt ließ den Strahl der Lampe über den Boden gleiten. »Schau her. Jetzt weißt du, weshalb ich keinen Plan brauche.«
Im Licht der Lampe war eine Blutspur zu sehen, die die steile Treppe hinunterführte. Eine Gänsehaut überlief Pitt. Nicht weil die rotbraunen Flecken ihn so jäh wieder an sein nächtliches Abenteuer erinnerten, sondern wegen des plötzlichen Temperaturwechsels von der nachmittäglichen Sommerhitze zu der feuchten Kühle, die in dem
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