Der Todesflieger
Vermögen auf dem Meeresgrund verborgen«, beharrte Lewis, »und von Till versucht mit allen Mitteln, das geheimzuhalten.«
»Es gibt kein Gesetz, das die Bergung gesunkener Schätze verbietet.« Giordino blies eine Rauchwolke in den Raum.
»Warum sollte er es geheimhalten wollen?«
»Aus Habgier«, warf Pitt ein. »Solche Funde werden hoch besteuert. Das Finanzamt kassiert gut und gerne die Hälfte.«
»In diesem Fall könnte ich es von Till kaum verdenken, daß er seine Entdeckung lieber für sich behält«, meinte Lewis nachdenklich.
Der Steward erschien mit drei weiteren Flaschen Bier. Er zog sich gleich wieder zurück.
Giordino trank seine Flasche in einem Zug leer. »Die ganze Sache gefällt mir nicht«, erklärte er. »Irgend etwas daran ist mächtig faul.«
»Mir gefällt sie auch nicht«, meinte Pitt versonnen. »Alle Versuche einer Erklärung führen in eine Sackgasse. Auch der gesunken Schatz bringt uns nicht weiter. Ich habe schon versucht, von Till aus der Reserve zu locken, indem ich ihm gegenüber andeutete, der Schatz, hinter dem er her sei, sei längst gehoben. Doch der alte Fuchs zeigte nicht das geringste Interesse. Er hat etwas zu verbergen, soviel ist klar. Aber ein Schatz ist es nicht.« Er brach ab und wies durch das Bullauge auf das friedlich daliegende Thasos hinüber. »Des Rätsels Lösung liegt woanders, entweder direkt vor der Insel oder auf ihr. Wenn Gunn die
Albatros
geborgen hat, werden wir mehr wissen.«
Giordino verschränkte die Hände hinter dem Kopf und wippte mit seinem Stuhl. »Wenn man es recht überlegt, könnten wir jetzt eigentlich unsere Siebensachen packen und nach Washington zurückfliegen. Nachdem die mysteriöse
Albatros
nun auf dem Grund des Meeres liegt und wir wissen, wer die Arbeit auf der
First Attempt
sabotiert hat, wird ja alles wieder ins rechte Lot kommen. Ich wüßte keinen Grund, wieso wir noch länger hier ausharren sollten.« Er warf Lewis einen gleichgültigen Blick zu. »Ich bin sicher, der Colonel bekommt den Notstand auf Brady Field auch ohne fremde Hilfe in den Griff.«
»Sie können mich doch jetzt nicht im Stich lassen«, keuchte Lewis. Der Schweiß trat ihm auf die Stirn. »Ich werde mich mit Admiral Sandecker in Verbindung setzen und…«
»Keine Sorge, Colonel«, erklang es von der Tür. Unbemerkt war Gunn ins Zimmer getreten.
»Major Pitt und Captain Giordino werden Thasos noch nicht verlassen.«
Pitt wandte den Kopf und sah Gunn überrascht an. Der lehnte kraftlos an der Wand; sein Gesicht sah leer und müde aus. Er schien zu Tode erschöpft. Seine Schultern hingen schlapp nach unten; spitz zeichneten sich die Knochen unter der Haut ab.
Kleine Wassertröpfchen perlten glitzernd seinen Körper hinunter. Er trug nichts weiter als seine Hornbrille und eine schwarze Badehose. Er war nach vierstündigem, ununterbrochenem Tauchen völlig ausgebrannt.
»Ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten«, murmelte er matt.
»Was denn, um Gottes willen?« fragte Pitt. »Habt ihr es nicht geschafft, die
Albatros
zu bergen?«
»Viel schlimmer.«
»Sag schon!«
Es dauerte eine Weile, bis Gunn sich wieder gefaßt hatte. Es herrschte Totenstille in der Kajüte. Man konnte das leichte Ächzen des Schiffes vernehmen, das in der sanften Dünung schlingerte.
»Glaubt mir«, fuhr Gunn endlich fort, »wir haben alle Techniken angewandt, die es gibt, um ein Wrack zu orten. Aber wir haben die
Albatros
nicht gefunden.« Er machte eine hilflose Geste. »Sie ist weg. Verschwunden.«
10. Kapitel
»Die Bewohner von Thasos waren große Liebhaber des Theaters. Das Theater war ein bedeutender Bestandteil ihrer Kultur und für jeden Bürger der Stadt, bis hinab zum Bettler, war es eines der vornehmsten Rechte, das Theater besuchen zu dürfen. Bei der Uraufführung eines neuen Dramas wurden alle Läden geschlossen, sämtliche Geschäfte ruhten, und selbst die Gefängnisinsassen wurden freigelassen. Den Huren der Stadt hingegen war es erlaubt, ihr Gewerbe in den Gebüschen neben den Theatereingängen auszuüben.«
Der dunkelhäutige Fremdenführer unterbrach seinen Vortrag.
Seine Lippen kräuselten sich spöttisch, als er die pikierten Mienen der Damen sah. Die Reaktionen an dieser Stelle waren immer die gleichen. In gespielter Empörung tuschelten die Frauen sich etwas zu, während die Männer, die fast alle in kurzen Hosen steckten und mit Kameras und Belichtungsmessern bewaffnet waren, schallend loslachten und einander vielsagend in die Rippen
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