Der Todesflug der Cargo 03
Käptn!« meldete Donegal.
»Was hat der verdammte Idiot auf unserer Seite zu suchen?« schimpfte Swedborg. »Weiß dieser Hilfsschüler denn nicht, wie man in einem Kanal navigiert?«
»Wir sind kleiner«, sagte Donegal. »Wir können unseren Kurs leichter ändern als er. Am besten, wir geben ihm ein Warnsi-gnal und wechseln auf die Seite rüber, wo eigentlich er fahren müßte.«
»Okay, Donegal. Kurswechsel und zwei Warnsignale!«
Seltsamerweise blieben die Warnsignale der »Molly Bender« unbeantwortet. Die Lichter des fremden Schiffes näherten sich viel schneller, als man
es
bei der im Kanal zugelassenen Geschwindigkeit vermuten durfte. Kapitän Swedborg war vor Schreck wie erstarrt, als er plötzlich entdeckte, dass das fremde Schiff neuerlich seinen Kurs gewechselt hatte und nun frontal auf die »Molly Ben-der« zugerauscht kam. »Vier kurze Warnsignale!« ordnete er an.
Dies war das Warnsignal, das in der Kanalschiffahrt benutzt wird, um einem entgegenkommenden Schiff verständlich zu machen, dass man über seinen Kurs im unklaren ist. Zwei Mitglieder der Mannschaft der »Molly Bender«, die von den gellenden Signalen geweckt worden waren, kamen verschlafen ins Steuerhaus gestolpert. Sprachlos vor Entsetzen sahen sie, wie kurz vor ihnen die mächtig aufragende Silhouette des entgegenkommenden Schiffes immer größer wurde. Die blendenden Scheinwerfer des schwimmenden Riesen strahlten auf den hilflosen kleinen Fischkutter hernieder, als ob es sich um ein Insekt handelte, das unter dem Mikroskop ausgeleuchtet werden sollte, um es besser in Augenschein nehmen zu können.
Swedborg hatte verstanden, dass der Zusammenstoß unvermeidlich war. Gefaßt schaute er auf den mächtigen Schiffsrumpf, der sich immer schneller näherte. In einem verzweifelten Rettungsmanöver versuchte Donegal das Steuer herumzureißen und die Maschinen zu stoppen. Das letzte, was sie sahen, war die hausgroße Zahl 61, die auf dem Bug des Ungetüms prangte und nun über ihnen in dem nächtlichen Himmel zu steigen schien. Eine Sekunde später wurde der kleine Fischkutter in unzählige Splitter zerschmettert und von den eisigen Fluten verschlungen.
Pitt brachte seinen Wagen vor der Einfahrt zum Weißen Haus zum Stehen. Jarvis war schon halb ausgestiegen, als er sich noch einmal umwandte. »Ich danke Ihnen für Ihre wertvolle Hilfe«, sagte er zu Pitt. »Was nun?« fragte Pitt.
»Der Schwarze Peter liegt jetzt bei mir«, sagte Jarvis mit einem traurigen Lächeln. »Ich habe jetzt die undankbare Aufgabe, mitten in der Nacht den Präsidenten zu wecken.«
»Kann ich Ihnen in der Sache noch irgendwie helfen?«
»Nein. Sie haben schon mehr als genug getan. Jetzt ist die Regierung am Ball.«
»Was die Giftgasgranaten mit den ST-Mikroben angeht«, sagte Pitt. »Kann ich sicher sein, dass Sie das Zeug tief im Pazifik versenken, wenn Sie’s aufspüren?«
»Versuchen will ich’s. Aber ich kann nichts versprechen.«
»Das genügt mir nicht«, sagte Pitt.
Jarvis war zu müde, um noch über Pitts Bitte länger zu verhandeln. Pitt hatte den Eindruck, dass sich sein Gesprächspartner für die Vernichtung der fürchterlichen Waffe nicht mehr sonderlich interessierte. »Sorry, aber auf die künftige Verwendung der Gasgranaten habe ich keinen entscheidenden Einfluss«, sagte Jarvis schulterzuckend. Dann warf er die Wagentür ins Schloss, ging zum Eingangstor des Weißen Hauses hinüber, zeigte dem Posten seinen Ausweis und war verschwunden.
Pitt wendete und fuhr die Vermont Avenue zurück. Nach einigen Kilometern langsamen Dahin Gleitens entdeckte er eine Cafeteria die durchgehend geöffnet hatte, bog ab und parkte. Nachdem ihm die gähnende Kellnerin einen kochendheißen, aber hoffnungslos verwässerten Kaffee serviert hatte, ging er zum Münztelefon hinüber und machte zwei Anrufe. Dann stürzte er den kalt gewordenen Kaffee hinunter, zahlte und ging hinaus.
54
Pitt traf Heidi Milligan auf den Stufen des Bethesda-Marine-Krankenhauses. Sie trug ein hübsches Stirnband über ihrem jugendlich frisierten Haar. Trotz Spuren von Müdigkeit um ihre Augen sah sie hoffnungsfroh und unternehmungslustig aus. »Wie geht es Admiral Bass?« erkundigte sich Pitt.
Sie sah ihn betont zuversichtlich an. »Walter muß noch einige Zeit liegen. Aber er ist stark. Er wird durchkommen.«
Pitt glaubte ihr kein Wort. Ihm war klar, dass Heidi sich an einen Hoffnungsfaden klammerte, der mit jedem Tag dünner wurde, während sie nach außen hin eine unbekümmerte
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