Der Todesflug der Cargo 03
machst den Eindruck eines Besessenen«, sagte sie. »Es tut mir leid, wenn dich das beleidigt. Aber es ist so.«
»Du hast ja recht«, sagte Pitt mit dem Anflug eines mißglückten Lächelns. »Ich sehe Flugzeugwracks, wohin ich schaue.«
Laura reichte ihm eine Kaffeetasse und barg die andere in ihrer Hand. Sie trank. »Diese verdammten alten Wrackteile aus Vaters Werkstatt! Das ist das einzige, woran du die ganze Zeit hier gedacht hast. Siehst du denn nicht, dass du diesen alten Flugzeugteilen viel mehr Bedeutung beimißt, als sie verdienen?«
»Du verstehst mich nicht, Laura. Ich bin nun einmal so. Wenn mich ein Problem einmal gepackt hat, dann lasse ich es nicht los, bis ich es gelöst habe. Wenn du das ›Besessenheit‹ nennst, dann bin ich besessen.«
»Aber es hat doch keinen Sinn, wegen zwei alter Flugzeugteile Gott und die Welt in Bewegung zu setzen.«
Pitt schien ihr nicht zuzuhören. Er sah aus, als lausche er auf eine innere Stimme. »Laura!« sagte er dann. »Ja, Dirk?«
»Es passiert nicht das erste Mal, dass ich eine Eingebung habe, die sich bei weiterem Nachforschen als Realität erweist.«
»Und erweisen sich alle deine Eingebungen als richtig?«
»Natürlich nicht«, antwortete er. Er zuckte die Schultern.
»Wenn es sich nun erweist, Dirk, dass die beiden Wrackteile in Vaters Garage nicht von einem Flugzeug kommen, das hier in der
Nähe abgestürzt ist, was dann?«
»Dann vergesse ich die ganze Sache und werde binnen kürzester Frist wieder ein ganz normaler Mensch.«
Es war plötzlich sehr still um sie beide. Laura ging zu Pitt hinüber, kauerte sich vor ihm hin, barg ihren Kopf in seinem Schoß und versuchte, die Körperwärme ihres Geliebten in sich aufzunehmen. Die kühle Brise, die von den Bergen herunterstrich, ließ sie frösteln. »Mir wird’s unheimlich hier draußen«, sagte sie. »Wir haben nur noch zwölf Stunden bis zum Rückflug nach Washington. Bitte, laß uns in der wenigen Zeit, die uns bleibt, nicht mehr über diese ganze geisterhafte Angelegenheit reden. Laß uns lieb zusammen sein.«
Dirk Pitt lächelte und küßte Laura sehr zärtlich auf Stirn und Augen. Dann sprang er auf, nahm sie auf den Arm und trug sie, als sei sie leicht wie eine Puppe, über die Schwelle ins Innere der Berghütte.
Vielleicht war es besser, so dachte er, Laura erst morgen zu sagen, dass sie allein nach Washington zurückfliegen würde. Er war entschlossen zu bleiben, um seine Suche nach dem verschwundenen Flugzeugwrack fortzusetzen.
Zwei Tage später saß Pitt am leergeräumten Eßtisch der Berghütte.Es war abends. Über den Tisch ausgebreitet lagen einige großformatige Gebietskarten, die Pitt im Schein der Lampe prüfte. Nach mehreren Stunden konzentrierter Arbeit lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und rieb sich die Augen. Er fühlte sich müde, zerschlagen und mutlos. Das einzige Ergebnis seiner bisherigen Bemühungen bei der Suche nach dem geheimnisvollen Flugzeugwrack war eine verärgerte, verunsicherte Laura und eine saftige Rechnung der Firma, bei der er den Suchhubschrauber gechartert hatte.
Das Geräusch von Schritten war vor dem Haus zu hören. Pitt sah auf. Hinter dem Fenster der Eingangstür wurde der Kopf eines Mannes sichtbar. Der Mann hatte eine rasierte Glatze, freundliche braune Augen und einen gepflegten Kaiser-Wilhelm-Schnurrbart. »Ist jemand im Haus?« rief er durch die geschlossene Tür. »Herein!« sagte Pitt laut, ohne aufzusehen.
Die Tür öffnete sich, und der fremde Besucher betrat den Raum, ein kräftiger, gedrungener Mann von Preisringerformat, den Pitt
auf 110 Kilo schätzte. Der Fremde streckte die Hand aus. »Sind Sie Mr. Pitt?«
»Das bin ich.«
»Das freut mich. Dann habe ich ja auf Anhieb das richtige Haus erwischt. Ich hatte schon Angst, ich hätte eine falsche Abzweigung erwischt. Mein Name ist Steiger, Abe Steiger.«
»Oberst Steiger?«
»Meinen militärischen Titel können Sie vergessen. Wir kommen hier oben sicher auch ohne aus.«
»Wie Sie wünschen. Ich finde es nett, dass Sie sich die Mühe machen, meine Anfrage persönlich aufzuklären. Eigentlich hatte ich höchstens eine briefliche Auskunft erwartet.«
Ein breites Grinsen überzog Steigers Gesicht. »Um die Wahrheit zu sagen: ich bin ein Digger.«
»Ein Digger?«
»Ja doch. Ich schürfe gern Gold. Besser gesagt: ich siebe es aus dem Wasser heraus. Wußten Sie nicht, dass die Flüsse und Bäche hier Gold führen?« Pitt schüttelte lächelnd den Kopf.
»Doch«, sagte Steiger.
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