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Der Todeskreuzer

Der Todeskreuzer

Titel: Der Todeskreuzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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werdet ihr herausfinden, was für Ärzte ihr wirklich seid, und zwar anhand dessen, wie sehr ihr euch der Furcht hingebt und an wie viel von eurer Ausbildung ihr euch dann noch erinnert.
    Sie riss die Tasche ihrer Cargohose auf, holte ein Medikit hervor und brach es auf. Darin befanden sich Skalpelle, Verbandsmull, Pflaster - die elementarsten Werkzeuge ihres Berufsstands. Vor ihr auf dem Boden schrie Kale weiter. Das graue, angeschwollene Pulsieren, das sie eben gesehen hatte, war bereits bis über seine Taille emporgekrochen, wütete in seinem Unterleib, überzog rosa Haut mit einem stumpfen, fleckigen Grauton. Das zu sehen, bereitete ihr Übelkeit - es war, als würde man Fleisch dabei zusehen, wie es von innen heraus verrottete.
    Er stirbt. Oder Schlimmeres. Also tu was!
    Sie nahm ein Skalpell aus dem Set und trieb die geschärfte Spitze behutsam in das freiliegende Fleisch gleich unterhalb des Bauchnabels. Eine Sekunde lang wurden Kalos ängstliche Schreie zu einem schmerzerfüllten Kreischen, und er glotzte sie in vollkommener Benommenheit an, als sie den Einschnitt verbreiterte und sich ihre Finger durch die glatte Fettschicht zum angespannten Bauchmuskel darunter vortasteten. Kalter Schweiß war auf ihrer Stirn und ihrer Oberlippe ausgebrochen. Sie verdrängte es, löschte alles aus außer dem, was sich unmittelbar vor ihr befand.
    Die Muskelstränge glitten durch ihre Finger wie straffe, feuchtklamme Garnschnüre. Sie konnte sie vor ihrem inneren Auge sehen, die abnorme Hitze dazwischen spüren, diese vordringende Präsenz, dieses Ding, das sich windend seinen Weg aufwärts bahnte. Ein Hauch von Bewegung streifte ihre Fingerspitzen, und sie griff danach und packte zu. Ein knappes, reißendes Platzen ertönte, und dann spritzte etwas unter der Muskelschicht auf sie, eine dickflüssige, schleimige, pustelige, perlenartige Flüssigkeit, die ihre Hände bis zu den Gelenken bedeckte.
    Das Schreien, das aus dem Innern des Schachts drang, war jetzt schlichtweg ohrenbetäubend.
    Zahara riss ihre Hände zurück und sah sie an, verfolgte, wie die klumpige Flüssigkeit erst zu gerinnen schien, sich dann verflüssigte und jetzt tatsächlich über ihr Fleisch kroch wie lebendige Handschuhe, auf der Suche nach einer Öffnung, einer Wunde, die sie dazu nutzen konnte, um in sie zu gelangen. Mit jeder verstreichenden Sekunde, die das Zeug der Luft offen ausgesetzt war, stank es schlimmer, und sie wischte es an ihrer Hose ab, zwang die Galle wieder nach unten, die ihre Kehle hochstieg, sagte sich, dass sie ihre Nerven nie wieder zurückbekommen würde, wenn sie sie jetzt verlor.
    Unter ihr auf dem Boden war Kales Gesicht blass geworden, aschfahl. Er starrte sie in seinem Schockzustand nur an. Sie hoffte immer noch, dass er das Bewusstsein verlieren würde, aber obwohl er das bislang nicht getan hatte, hatte er zumindest aufgehört zu schreien.
    »Ich muss noch mal reingreifen«, sagte sie. »Ich muss sichergehen, dass ich alles erwischt habe.«
    Bevor er irgendetwas sagen konnte, stieß sie ihre Hände wieder durch den Schnitt, glitt hinein, tastete umher, wartete darauf, dass dieser kleine, wimmelnde Klumpen Aktivität gegen ihre Finger stieß und konnte nichts fühlen. Als sie hinabschaute, sah sie. dass die gräulich-rote Fäulnisfärbung immer noch da war, unmittelbar über seiner Taille, doch höher war sie nicht mehr gekommen.
    »Ich glaube, wir haben es geschafft.«
    Sie nahm einen tiefen Atemzug und sah Kale an. Endlich verlor er die Besinnung und rollte mit halb geschlossenen Augen auf die Seite. Sie hob das Hemd auf, das sie ihm runtergerissen hatte, faltete es zusammen und presste es auf die Wunde, um die neue Blutung zu stoppen, die sie verursacht hatte. Dann lehnte sie sich zurück, während sie den Druck aufrechterhielt, sog Atemzüge ein und ließ sie wieder entweichen, zwang ihren rasenden Herzschlag, sich zu halbwegs normaler Geschwindigkeit zu verlangsamen. Sie war sich nicht sicher, ob sie mehr Gutes bewirkt als Schaden angerichtet hatte, aber zumindest lebte Kale noch und atmete - und falls sie nichts unternommen hätte, wäre das womöglich nicht der Fall gewesen.
    Erst später, als sie sich endlich ein bisschen beruhigt hatte, fiel ihr auf, dass es im Andockschacht neben ihnen vollkommen still geworden war.
    Das Schreien im Schacht hatte aufgehört.
    Und dann vernahm sie aus großer Entfernung ein anderes Geräusch, ein vages, anklagendes Brüllen.
    Irgendetwas auf der anderen Seite des

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