Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
werden. Das Leben geht weiter, weißt du?«
Sarah starrte Rebecca an, während sie versuchte, die Worteder Frau zu begreifen. Dann verzog sie das Gesicht und flüchtete vom Tisch.
Rebecca sah ihr hinterher. Sie nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette.
Hübsches Ding. Eine Schande, was ihr zugestoßen ist.
Sie winkte ab, obwohl sie alleine war. Ihre Augen, mit zu viel Mascara geschminkt, funkelten wütend und elend.
Wirklich zu schade. Die Welt ist verdammt hart.
Sarah lag auf ihrem fremden neuen Bett in ihrem fremden neuen Zuhause und hatte sich zusammengerollt. Sich klein gemacht. Sie wünschte sich
( Woandershin)
Vielleicht konnte sie ja verschwinden.
( Woandershin)
Vielleicht konnte sie sich nach Hause zurückwünschen, zu Mommy und Daddy. Ein plötzlicher Gedanke ließ sie neuen Mut schöpfen: Vielleicht war das alles ja nur ein besonders langer, besonders schlimmer Traum. Vielleicht war sie am Abend vor ihrem Geburtstag eingeschlafen und noch gar nicht wieder richtig aufgewacht.
Sie runzelte die Stirn, als sie angestrengt über diese Möglichkeit nachdachte. Wenn es stimmte, musste sie nichts weiter tun, als in ihrem Traum einschlafen.
»Ja«, flüsterte sie leise zu sich selbst.
Das war es! Sie musste nur einschlafen (hier, in ihrem Traum), und dann würde sie in der wirklichen Welt aufwachen. Buster wäre da, an sie gekuschelt, und das Bild ihrer Mutter wäre da, an der Wand am Fuß ihres Bettes, und es wäre Morgen. Sie würde aufstehen und nach unten gehen zu Mom und Daddy, und alles würde wie früher sein.
Sarah umarmte sich selbst in ihrer Aufregung. Das musste die Lösung sein für – sie blickte sich im Zimmer um – das alles hier.
Du musst nur die Augen zumachen und einschlafen, und wenn du aufwachst, ist alles wie früher.
Weil sie völlig erschöpft war und erst sechs Jahre alt, bereitete das Einschlafen ihr keine Mühe.
KAPITEL 26
»Wach auf.«
Sarah rührte sich. Jemand rüttelte sie. Jemand mit einer sanften Frauenstimme.
»He, wach auf, kleines Mädchen.«
Sarahs erster Gedanke war: Es hat funktioniert! Das war Mommy, die gekommen war, um sie zu wecken. Es war ihr Geburtstag!
»Ich hatte einen schlimmen Traum, Mommy«, murmelte sie.
Keine Antwort.
Dann: »Ich bin nicht deine Mommy, kleines Mädchen. Komm schon, wach auf. Es ist gleich Essenszeit.«
Sarah öffnete verwundert die Augen. Es dauerte einen Moment, bevor sie das Mädchen deutlich sehen konnte, das zu ihr sprach. Es hatte die Wahrheit gesagt: Es war nicht Mommy.
Es ist kein Traum. Es ist alles Wirklichkeit.
Sarah akzeptierte diese schmerzhafte und unumstößliche Wahrheit.
Mommy ist tot. Daddy ist tot. Buster ist tot, und Doreen ist weg. Ich bin ganz allein, und sie kommen nie wieder.
Etwas von dem, was Sarah fühlte, musste sich auf ihrem Gesicht gezeigt haben, denn das fremde Mädchen schaute sie besorgt an.
»Hey, ist alles in Ordnung?«
Sarah schüttelte den Kopf. Sie konnte nicht reden.
Das Gesicht des anderen Mädchens wurde weich.
»Verstehe. Na ja, jedenfalls … ich bin Theresa. Ich schätze, wir sind Pflegeschwestern.« Sie zögerte. »Wie heißt du?«
»Sarah.« Ihre Stimme klang schwach und weit entfernt.
»Sarah. Das ist ein hübscher Name. Ich bin dreizehn. Wie alt bist du?«
»Sechs. Ich hatte gerade Geburtstag.«
»Cool.«
Sarah musterte das fremde, freundliche Mädchen. Theresa war hübsch. Sie sah ein wenig nach Latino aus, mit braunen Augen und dicken schwarzen Haaren, die ihr bis knapp über die Schultern reichten. Sie hatte eine kleine Narbe dicht unter dem Haaransatz. Volle, sinnliche Lippen ließen ihr ernstes Gesicht weicher erscheinen. Sie war hübsch, doch sie sah auch müde aus, fand Sarah. Wie eine nette Person, die einen schweren Tag hinter sich hatte.
»Warum bist du hier, Theresa?«
»Meine Mom ist gestorben.«
»Oh.« Sarah war nicht sicher, wie sie darauf reagieren sollte. »Meine auch. Und mein Daddy«, sagte sie dann.
»Das ist Scheiße.« Eine lange Pause. Dann, leise und sorgenvoll: »Tut mir echt leid, Sarah.«
Sarah nickte. Sie spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde und wie es in ihren Augen stach.
Sei nicht so eine alte Heulsuse!
Theresa schien es nicht zu bemerken. »Ich war acht, als meine Mom starb«, sagte sie, während Sarah lauschte und mit den Tränen kämpfte. »Ein wenig älter als du heute, aber nicht viel. Darum weiß ich, wie du dich fühlst. Und ich weiß, was auf dich zukommt. Weißt du, was das Wichtigste ist? Du musst lernen, dass du
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