Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
wollte ihr folgen.
»Du bleibst hier, Kind.« Karen wandte sich an Rebecca. »Wir bleiben in Verbindung.«
Mit diesen Worten war sie gegangen.
»Ich zeig dir dein Zimmer, Süße«, sagte Rebecca.
Sarah folgte der Frau durch einen benommenen Nebel hindurch.
Was passiert hier? Warum bleibe ich hier? Und wo ist Doreen? Was haben sie mit meiner Doreen gemacht?
»Hier ist es.«
Sarah blickte durch die geöffnete Tür in das Zimmer. Es war klein, drei mal drei Meter, mehr nicht. Es war mit einer einzelnen Kommode und zwei kleinen Betten möbliert. Die Wände waren kahl.
»Warum stehen zwei Betten hier drin?«, fragte Sarah.
»Weil du dieses Zimmer mit Theresa teilst.« Rebecca deutete auf die Kommode. »Du kannst deine Sachen in die untere Schublade tun. Warum packst du nicht gleich aus und kommst dann zu mir in die Küche?«
Es war Sarah gelungen, all ihre Sachen in die viel zu kleine Schublade zu quetschen. Ihre Schuhe hatte sie unter ihr Bett gestellt. Beim Auspacken hatte sie einen vertrauten Geruch wahrgenommen – den Duft des Weichspülers, den ihre Mutter benutzt hatte. Er hatte sie überrascht, und zugleich war es wie ein Schlag in die Magengrube gewesen. Sarah hatte ihrGesicht in einem Hemd verborgen, um ihr Weinen zu verbergen.
Schließlich waren ihre Tränen versiegt, und sie leerte den Rest ihrer Sachen aus der kleinen Tasche, die Karen ihr mitgegeben hatte. Sie setzte sich auf ihre Bettkante, erfüllt von Befremden und einem dumpfen Schmerz.
Warum bin ich hier? Warum kann ich nicht in meinem eigenen Zimmer schlafen?
Sie verstand das alles nicht.
Vielleicht wusste diese Frau mehr, diese Rebecca.
»Da bist du ja«, sagte Rebecca, als Sarah in der Küche erschien. »Hast du deine Sachen weggepackt?«
»Ja.«
»Komm her, setz dich zu mir an den Tisch. Ich hab dir ein Bologna-Sandwich gemacht und dir ein Glas Milch hingestellt … du magst doch Milch? Du hast keine Laktose-Unverträglichkeit oder so?«
»Ich mag Milch.« Sarah setzte sich auf den ihr zugewiesenen Stuhl und nahm das Sandwich in die Hand. Sie war sehr hungrig. »Danke sehr«, sagte sie zu Rebecca.
»Kein Problem, Zuckerpüppchen.«
Rebecca nahm ihr gegenüber am Tisch Platz und steckte sich eine Zigarette an. Sie rauchte und beobachtete Sarah, während das kleine Mädchen aß.
Traurig und blass und klein. Das ist wirklich schlimm. Aber früher oder später muss sie lernen, was alle lernen müssen: Die Welt ist hart und ungerecht.
»Ich werde dir ein paar Regeln erklären, die in diesem Haus gelten, Sarah. Dinge, die du wissen und an die du dich halten musst, solange du hier bei uns lebst, okay?«
»Okay.«
»Erstens, wir sind nicht hier, um dich zu unterhalten, kapiert? Wir sind hier, um dir ein Dach über dem Kopf zu geben, dichzu füttern und zu kleiden und dich zur Schule zu schicken. All diese Dinge. Aber du musst dich schon selbst beschäftigen, wenn du Langeweile hast. Dennis und ich haben unser eigenes Leben und unsere eigenen Dinge zu erledigen. Wir haben keine Zeit, deine Spielgefährten zu sein, klar?«
Sarah nickte.
»Okay. Also weiter. Du hast Pflichten hier im Haus. Mach deine Arbeit, und du kriegst keine Schwierigkeiten. Lass sie liegen, und wir geraten aneinander. Schlafenszeit ist zehn Uhr abends. Keine Ausnahmen. Das bedeutet, dass das Licht aus ist und du unter der Bettdecke liegst. Die letzte Regel ist ganz einfach, aber sie ist trotzdem wichtig. Gib keine Widerworte. Tu, was wir dir sagen. Wir sind die Erwachsenen, und wir wissen, was das Beste für dich ist. Wir geben dir ein Zuhause und ein Dach über dem Kopf, und wir erwarten, dass du uns mit Respekt behandelst. Hast du das verstanden?«
Wieder ein Nicken.
»Gut. Hast du Fragen?«
Sarah blickte auf ihren Teller. »Warum wohne ich hier? Warum kann ich nicht zurück nach Hause?«
Rebecca runzelte verblüfft die Stirn.
»Weil deine Mom und dein Dad tot sind, Süße, und weil es sonst keinen gibt, der dich will. Dennis und ich nehmen Kinder wie dich bei uns auf. Kinder, die keinen anderen Ort haben, zu dem sie gehen könnten. Hat Karen dir das nicht erklärt?«
Sarah schüttelte den Kopf und starrte weiter auf ihren Teller. Sie wirkte wie betäubt.
»Danke sehr für das Sandwich«, sagte sie kleinlaut. »Darf ich jetzt auf mein Zimmer?«
»Geh nur«, sagte Rebecca, drückte ihre Zigarette aus und steckte sich eine neue an. »Es ist normal, wenn ihr Neuen in den ersten paar Tagen weint, das ist okay. Aber du musst schnell lernen, hart zu
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