Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
nennt man verantwortlich handeln.Verantwortung ist etwas Aktives und verbessert die Dinge. Schuldvorwürfe ziehen dich nur nach unten.«
Ich blicke meine Freundin an. »Also schön. Aber ich sage dir, Elaina, ich habe Angst. Der Gedanke, dass Bonnie da draußen allein …«
Sie unterbricht mich sofort. »Ich dachte an Unterricht zu Hause. Und ich glaube, dass es mir großen Spaß machen würde.«
Ich blicke sie an. Mir fehlen mir die Worte. Unterricht zu Hause ist mir natürlich auch schon in den Sinn gekommen, doch ich habe den Gedanken verworfen, weil ich keine Möglichkeit gesehen habe, ihn in die Tat umzusetzen. Doch Elaina als Lehrerin … mir wird klar, dass es die perfekte Lösung ist. Sie löst fast jedes Problem. Das Problem von Bonnies unstillbarer Neugier und das Problem ihrer Stummheit.
Vergiss nicht das Problem von Smoky der Ängstlichen und Smoky der Fahrlässigen.
»Das würdest du tun?«
Elaina lächelt. »Es wäre mir eine große Freude. Ich habe im Internet nachgesehen – es ist nicht so schwierig.« Sie zuckt die Schultern. »Ich liebe Bonnie genauso wie dich, Smoky. Ihr gehört beide zu meiner Familie. Alan und ich sind nicht mit eigenen Kindern gesegnet, und das ist okay. Allerdings bedeutet es, dass ich andere Mittel und Wege finden muss, um Kinder in meinem Leben zu haben. Bonnie zu unterrichten ist eine dieser Möglichkeiten.«
»Und Sarah?«, frage ich.
Sie nickt. »Und Sarah. Darauf verstehe ich mich, Smoky. Ich kann mit Kindern umgehen, mit Menschen, die verletzt wurden. Also möchte ich es tun. Genauso, wie du Killer jagst, wahrscheinlich aus den gleichen Gründen: Weil es dir ein inneres Bedürfnis ist. Weil du es gut kannst.«
Ich denke über das Echo meiner eigenen, früheren Gedanken nach, und ich lächle sie an.
»Das ist eine großartige Idee«, sage ich.
»Dann ist ja alles klar.« Sie sieht mich freundlich an. »Ich wusste es gleich, denn ich kenne dich. Solange du die Wahrheit der Dinge sehen kannst, wirst du deine Verantwortung gegenüber Bonnie erfüllen. Du hast es bloß nicht gesehen. Deshalb ist es so weit gekommen. Du trägst keine Schuld.«
»Danke, Elaina.«
Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll, doch ich sehe an ihrem Lächeln, dass sie den Dank so begreift, wie er gemeint ist.
Und was ist, wenn du nach Quantico gehst? Wenn Alan und Elaina nicht genug sind, wenn sie nicht reichen, um dir das »Glück« zu geben, das du zu brauchen glaubst (ganz abgesehen davon, wie selbstsüchtig und undankbar das wäre)? Dann nimmst du Elaina ein Kind weg. Elaina, die niemals selbst Mutter sein kann, obwohl du weißt, dass sie eine bessere Mutter wäre als irgendjemand sonst, den ihr beide kennt, Anwesende eingeschlossen.
Trotzdem , denke ich, und für den Augenblick verstummt die innere Stimme.
Wir trinken unseren Wein und lächeln, während wir Alans gebrummtem Unmut lauschen, weil er schon wieder von einem kleinen Mädchen im Schach geschlagen wird.
Es ist halb zehn, und Bonnie und ich sind zu Hause. Wir kramen in der Küche auf der Suche nach knabberzeug. Sie lässt mich wissen, dass sie ein wenig fernsehen möchte, und gibt mir zu verstehen, dass sie weiß, dass ich in Sarahs Tagebuch weiterlesen will.
Ich entdecke ein Glas Oliven, Bonnie eine Tüte Cheetos. Wir gehen ins Wohnzimmer und machen es uns in unserer jeweiligen Ecke des abgewetzten Sofas bequem. Ich drehe den Deckel des Olivenglases auf und nehme mir eine. Der salzige Geschmack explodiert in meinem Mund.
»Hat Elaina mit dir gesprochen?«, frage ich, die Olive im Mund. »Über den Hausunterricht?«
Sie nickt. Ja.
»Was hältst davon?«
Sie lächelt, nickt. Das wäre wunderbar.
Ich erwidere ihr Lächeln.
»Hat sie dir auch von Sarah erzählt?«
Wieder ein Nicken, ernster diesmal, bedeutungsschwer. Ich verstehe.
»Ja.« Ich nicke vor mich hin. »Sie ist in einem schlimmen Zustand. Wie denkst du darüber?«
Sie winkt mit der Hand. Abschätzig.
Kein großes Problem, nicht der Rede wert , sagt dieses Winken. Ich bin nicht selbstsüchtig.
»Okay.« Ich lächle sie an. Das Lächeln soll ihr zeigen, dass ich sie liebe.
Mein Handy summt. Ich schaue aufs Display. Es ist James.
»Die VICAP-Abfragen sind durch«, berichtet er. »Bis jetzt noch nichts, aber vielleicht morgen früh. Das Programm auf Michael Kingsleys Computer ist trotz aller Bemühungen noch nicht entschlüsselt. Ich fahre jetzt nach Hause, ich will das Tagebuch noch einmal lesen.«
Ich berichte ihm, was sich an diesem Tag ereignet
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