Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
untätig dazusitzen und alles zu ertragen. Die ganze Geschichte, Stück für Stück, eine Horrorshow. Wir haben Sarah und andere vor unserem geistigen Auge leiden sehen.
Jetzt sind wir vielleicht nur noch eine Stunde davon entfernt, die Identität des Künstlers aufzudecken. Es spielt keine Rolle, dass er es war, der uns auf diese Fährte gelockt hat. Wir wollen sein Gesicht sehen.
Wir steigen aus dem Aufzug, treten hinaus in die Halle. Vorne beim Empfang steht Tommy, ein Mobiltelefon in der Hand. Er sieht mich und winkt.
»Wartet einen Moment, ja?«, sage ich zu den anderen.
»Beeil dich«, sagt James.
»Hi«, sagt Tommy, als ich näher komme. »Ich wollte mich nur persönlich überzeugen, dass mit Kirby alles wie verabredet läuft.«
Ich muss lächeln. »Sie ist eine interessante Person, so viel steht fest …«
Ich höre ein metallisches Klicken, das ich nicht gleich einordnen kann. Es erscheint mir harmlos, dieses Geräusch, unbedeutend, doch irgendein Instinkt sagt mir, schreit in mir, dass ich reagieren muss – und zwar schnell.
Ich wirble herum und sehe einen Latino mit grimmigem Gesicht im Eingang. Er starrt mich an.
»Tommy!«, stoße ich hervor. Meine Hand zuckt zur Waffe.
Tommy folgt meinem Blick, und auch seine Hand bewegt sich blitzschnell unters Jackett.
Was ist das?
Der Latino wirft die Arme hoch. Seine Hände öffnen sich, und zwei Gegenstände segeln durch die Luft, in einem perfekten Bogen.
»Scheiße!«, brüllt Tommy.
Er stößt mich zurück, schiebt mich aus dem Weg, und ichstolpere, falle rückwärts, und in einem einzigen Sekundenbruchteil erkenne ich, was passiert.
»Granaten!«, schreie ich. Zu spät.
Die Explosion in der Lobby des Dienstgebäudes ist gewaltig und ohrenbetäubend. Ich spüre eine Druckwelle und Hitze. Etwas streift mein Gesicht. Dann wird mir die Luft weggesaugt, nur für einen Moment, und ich falle, spüre, wie mein Kopf auf dem Marmorboden aufprallt, und alles wird mit einem Schlag grau, ganz grau …
Die Wolken in meinem Schädel weichen dem Gestank nach Rauch und dem Lärm von Schüssen.
Maschinenpistole , denke ich benommen.
Mit einem Schlag bin ich wieder hellwach. Ich liege auf dem Rücken. Ich kämpfe mich in eine sitzende Haltung, krieche auf allen vieren nach links, hektisch, als irgendetwas direkt neben mir sirrend vom Marmor abprallt.
Gott, tut mein Schädel weh!
Meine Ohren klingeln. Ich sehe mich um, entdecke Callie hinter einer marmorverkleideten Säule, das Gesicht verschmiert und grimmig, während sie das Feuer erwidert. Ich sehe James am Boden. Er müht sich hoch, Blut läuft ihm übers Gesicht. Alan brüllt ihn an.
»Bleib in Deckung, du Trottel!«
Die Maschinenpistole feuert weiter, ununterbrochen, Salve um Salve, und überzieht die Lobby mit einem Kugelhagel.
Der Latino meint es todernst , denke ich und muss beinahe kichern, tue es aber nicht, weil es verrückt wäre. Ich muss einen klaren Kopf bekommen.
Ich höre die Schüsse aus den Waffen meiner Freunde und Kollegen und ziehe meine eigene Pistole. Ich bin immer noch wacklig, gehorche nur meinem Instinkt,
Die Waffe gleitet in meine Hand und flüstert voller Vorfreude zu mir. Sie ist bereit.
Ich bin in dem Gang, in den Tommy mich gestoßen hat, und dann fällt mir alles wieder ein, und Grauen durchfährt mich, nacktes Entsetzen (O Gott o Gott o Gott o Scheiße o du verdammte Scheiße) , und ich suche nach Tommy, suche nach der blutigen Leiche, zu der er bestimmt geworden ist und vor deren Anblick ich mich fürchte, denn ich will nicht …
»Hier drüben!«, flüstert Tommy.
Ich wirble herum. Wie durch ein Wunder (Danke, Gott, danke, Gott, danke) ist er hinter mir. Er sitzt mit dem Rücken an der Wand. Sein Gesicht ist grau. Er blutet aus einer Schulterwunde.
»Du bist getroffen!«, rufe ich erschrocken.
»Wird wohl so sein«, murmelt er und versucht zu lächeln. »Tut verdammt weh. Aber alles okay. Granatsplitter in der Schulter, keine lebenswichtigen Organe verletzt. Blutung unter Kontrolle.«
Ich starre ihn an, während ich versuche, all das zu begreifen.
»Alles in Ordnung, Smoky«, wiederholt er. »Geh und erledige dieses Arschloch.«
Ja, erledigen wir dieses Arschloch! , flüstert meine Pistole mir zu, und diesmal gebe ich nach, erfüllt von kalter Mordlust.
Ich muss ihn nur sehen. Nur einmal kurz sehen. Wenn ich ihn sehe, treffe ich ihn.
Ich setze mich in Bewegung, tief geduckt, die Waffe schussbereit. Das Feuer aus der Maschinenpistole nimmt scheinbar kein
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