Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
Maul auf!«
Cabrera zuckt zusammen. Wendet den Blick ab. Alans Zickzack zwischen den Extremen verunsichert ihn. Macht ihm Angst. Seine Wange zuckt.
»Er ist gefoltert worden«, hat Alan mir vor dem Verhör gesagt. »Folter ist im Prinzip Bestrafung und Belohnung. Zwischen Opfer und Täter wird eine Beziehung hergestellt. Der Folterer brüllt sein Opfer an, sagt hasserfüllte Dinge und quält es mit glühenden Zigaretten, und danach versorgt er persönlich die Verbrennungen mit Salbe und gibt sich besorgt und tröstend. Am Ende hat das Opfer nur noch einen Wunsch.«
»Den Kerl mit der Salbe und den tröstenden Worten.«
»Genau. Wir werden Cabrera nicht mit Zigarettenverbrennen, aber der Wechsel zwischen Anbrüllen und Freundlichkeit sollte reichen, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen.«
So läuft es , denke ich. Cabrera bricht der Schweiß aus.
»Mr. Cabrera«, fährt Alan fort. »Wir wissen, dass Sie eigentlich hier sterben sollten. Was ist, wenn ich Ihnen sage, dass wir bereit sind, das Spiel mitzuspielen und Ihren Tod vorzutäuschen? Dem Rest der Welt vorzumachen, wir hätten Sie bei der Festnahme erschossen?« Alan spricht wieder mit normaler Stimme. Er hat Cabrera klargemacht, dass er derjenige ist, der die Kontrolle hat, und er hat ihm Angst eingeflößt.
Cabrera sieht ihn an. Es ist ein hoffnungsvoller, erwartungsvoller Blick.
»Wenn Sie uns helfen«, fährt Alan fort, »tragen wir Sie in einem Leichensack nach draußen.« Er lehnt sich zurück. »Falls Sie nicht kooperieren, falls Sie sich nicht von uns helfen lassen wollen, führe ich Sie persönlich vor den laufenden Fernsehkameras nach draußen, und Ihr Freund weiß, dass Sie noch am Leben sind.«
Keine Antwort. Doch ich sehe den Kampf in Cabreras Innerem toben.
Er schaut Alan an, forscht in dessen Gesicht. Dann senkt er den Blick und starrt zu Boden, auf eine Stelle zwischen uns. Sein ganzer Körper sackt zusammen. Das Zucken in seiner Wange hört auf.
»Es ist mir egal, was aus mir wird. Verstehen Sie?«
Seine Stimme ist leise, demütig. Es ist schwierig, das sanfte Wesen vor mir mit dem eiskalten Burschen in Einklang zu bringen, der feuernd und Granaten schleudernd ins Dienstgebäude des FBI gestürmt ist. Welches von beiden ist sein wahres Gesicht?
Vielleicht beide.
»Ich verstehe das Konzept«, sagt Alan. »Ich verstehe aber nicht, inwiefern es auf Sie zutrifft. Klären Sie mich auf, Mr. Cabrera.«
Ein weiterer suchender Blick. Länger diesmal.
»Ich werde sowieso sterben. Es ist meine eigene Schuld, nicht die von jemand anderem. Eine Schwäche für Frauen, dazu Unvorsichtigkeit …« Ein Schulterzucken. »Ich habe gekriegt, was ich verdiene. Aids. Doch ich sage mir manchmal, vielleicht war es ja doch nicht allein meine Schuld. Ich wurde misshandelt. Als kleiner Junge.«
»Misshandelt? Wie?«
»Für eine kurze, schreckliche Zeit war ich das Eigentum sehr schlimmer Männer. Sie …« Er wendet den Blick ab. »Sie haben es mit mir getrieben. Als ich acht Jahre alt war. Diese Männer hatten mich gekidnappt, als ich Wasser für zu Hause holen wollte. Sie nahmen mich mit. Ich wurde gleich am ersten Tag von ihnen vergewaltigt und geschlagen. Sie peitschten mir die Fußsohlen, bis das Blut in Strömen floss.«
Seine Stimme klingt leise, beinahe verträumt, während er spricht.
»Sie verlangten von mir, etwas zu ihnen zu sagen, während sie mich schlugen. Ich musste sagen: ›Du bist Gott‹ und ›Ich danke dir, Gott‹. Je erbärmlicher wir weinten, desto schlimmer schlugen sie uns. Nur auf die Fußsohlen, immer nur die Fußsohlen. Ich wurde zusammen mit anderen Kindern, Jungen und Mädchen, nach Mexico City gebracht. Es war eine lange Reise, doch die Männer hielten uns mit Drohungen still.« Sein Blick hebt sich, kommt zu mir zurück. Er sieht aus, als müssten seine Augen bluten. »Manchmal habe ich gebetet, dass ich sterbe. Ich war verletzt, nicht nur am Körper.« Er tippt sich an den Kopf. »Auch am Verstand.« Er tippt sich an die Brust. »Und in der Seele.«
»Ich verstehe«, sagt Alan mitfühlend.
»Vielleicht«, sagte Cabrera. »Ja, vielleicht verstehen Sie tatsächlich. Es war die Hölle. In Mexico City hörten wir manchmal die Wachen reden. Wir entnahmen ihren Worten, dass wir in den nächsten Monaten nach Amerika gehen würden. UnsereAusbildung würde abgeschlossen sein, und wir sollten für viel Geld an andere Männer verkauft werden.«
Der Menschenschmuggler-Ring , denke ich. Der Kreis schließt sich.
»Ich war an
Weitere Kostenlose Bücher