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Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)

Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)

Titel: Der Todeskünstler: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyen
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Schweigen, noch länger diesmal.
    »Und dann?«, bohre ich nach.
    »Ich weiß, was Sie denken«, flüstert sie. Ihre Stimme ist voller Selbstverachtung, und sie weicht meinem Blick aus.
    »Was, Sarah? Was denke ich?«
    »Wie ich zusehen konnte, als er das getan hat, ohne dass ich versucht habe, wegzulaufen.«
    »Sieh mich an, Sarah.« Ich lege Nachdruck in meine Stimme und warte, bis sie gehorcht. »Das habe ich nicht gedacht. Ich weiß, dass er schnell war. Er hatte ein Messer. Du hast gewusst, dass du keine Chance hattest, ihm zu entwischen.«
    Sie verzieht das Gesicht und erschauert. Es ist eine Woge, die von Kopf bis Fuß geht, durch Leib und Seele.
    »Das stimmt. Aber es … es ist nicht der einzige Grund.«
    Wieder weicht sie meinem Blick aus.
    »Was ist der andere Grund?«, frage ich mit sanfter Stimme.
    Ein trauriges Schulterzucken. »Ich wusste, dass er mich nicht töten würde. Ich wusste, wenn ich einfach nur dort stand und zusah und tat, was er sagte, würde er mich nicht töten. Weil er mich so haben will. Lebend und voller Schmerz.«
    »Meiner Meinung nach«, sage ich vorsichtig, »und meiner Erfahrung nach ist es besser, voller Schmerz zu leben, als tot zu sein.«
    Sie mustert mich misstrauisch. »Glauben Sie?«
    »Ja.« Ich deute auf meine Narben. »Ich sehe sie jeden Tag, und ich denke jeden Tag daran, wofür sie stehen. Es tut weh. Trotzdem bin ich lieber lebendig als tot.«
    Ein bitteres Lächeln Sarahs. »Sie würden vielleicht anders denken, wenn Sie das alle paar Jahre wieder durchmachen müssten.«
    »Vielleicht«, sage ich. »Vielleicht auch nicht. Aber hier und jetzt zählt nur, dass du noch am Leben bist.«
    Ich kann ihr ansehen, wie sie über meine Worte nachdenkt. Ich kann nicht erkennen, zu welchem Schluss sie gelangt.
    »Dann«, fährt sie fort, »dann stellte er sich über Laurel. Eine ganze Minute lang sah er sie nur an. Sie rührte sich nicht,blinzelte nicht einmal … aber sie weinte.« Sarah schüttelt den Kopf. Die Erinnerung verfolgt sie. »Es war eine einzelne nasse Linie von Tränen im Winkel jeden Auges. Der Künstler lächelte sie an, doch es war kein glückliches Lächeln. Er hat sich nicht über sie lustig gemacht oder so. Er wirkte beinahe traurig. Er beugte sich vor und schloss ihr mit den Fingern die Augen.«
    Bis zu diesem Moment haben wir nicht gewusst, dass er den Frauen vor ihrem Tod die Augen schließt. Es bestätigt meine Vermutung, dass Männer sein vorrangiges Ziel sind. Schloss er Laurel die Augen, weil er nicht wollte, dass sie sah, was als Nächstes kam?
    Aber warum? Er hat sie trotzdem umgebracht.
    Ich schiebe diese Gedanken vorerst beiseite.
    »Was ist dann passiert, Sarah?«
    Sie wendet den Blick von mir ab. Ihre Miene verändert sich, ebenso ihre Stimme, die plötzlich hölzern klingt, mechanisch. Als sie spricht, ist es ein Stakkato. »Er stand auf. Er nahm sie, stellte sie in die Wanne, schlitzte ihr die Kehle auf. Ließ sie ausbluten. Legte sie auf den Teppich.« Sie versucht, diese Erinnerung so schnell wie möglich abzuhandeln. Ich brauche ein paar Sekunden, bis mir der Grund dafür klar wird.
    »Du hast Laurel nähergestanden als Dean, nicht wahr?«, frage ich leise.
    Sie weint nicht, doch sie schließt für einen Moment die Augen.
    »Sie war immer nett zu mir.«
    »Was ist als Nächstes passiert, Sarah?«
    »Ich musste ihm helfen, die Leichen ins Schlafzimmer zu bringen. Er brauchte meine Hilfe eigentlich gar nicht. Ich glaube, er wollte mich beschäftigen, damit ich nicht auf die Idee kam wegzulaufen. Wir trugen zuerst Dean ins Schlafzimmer, dann Laurel. Er packte sie unter den Armen, ich trug sie an den Füßen. Sie waren so blass . Ich habe noch nie so weiße Menschen gesehen. Weiß wie Milch. Wir haben sie aufs Bett gelegt.«
    Sie verstummt.
    »Was dann, Sarah?«
    Ich sehe ein wenig von der trostlosen Leere, wie ich sie gestern Abend bei ihr gesehen habe. Ein wenig von dem Mädchen am Fenster, das sich die Pistole an den Kopf gehalten und monoton vor sich hin gesungen hat.
    »Er hatte eine lange Lederhülle in seiner Tasche. Er öffnete sie und zog ein Skalpell hervor. Er reichte es mir, und dann befahl er … befahl er … befahl er mir, sie aufzuschneiden. ›Von der Kehle bis zum Unterleib‹, sagte er. ›Nur ein einziger entschlossener Schnitt. Ich lasse dich das tun, Little Pain. Du sollst freilegen, was sie im Innern wirklich sind.‹« Ihre Augen werden ein wenig glasig. »Es war, als wäre ich überhaupt nicht da. Als wäre ich nicht ich

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