Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
hat.«
»Ich verstehe genau, was du meinst«, versichere ich ihr.
Sie fährt fort: »Er hatte eine Tasche bei sich. Er öffnete sie, nahm eine kleine Videokamera hervor und richtete sie auf mich.«
»Das hat er schon öfter getan, nicht wahr?«
Sarah nickt. »Ja. Er sagt, dass er meinen Untergang dokumentiert. Dass es wichtig sei, weil es ohne diese Dokumentation keine Gerechtigkeit gäbe.«
Killer sammeln Trophäen. Das Video ist seine.
»Was hat er dann getan?«
»Er hat mich angesehen und gesagt: ›Ich möchte, dass du an deine Mutter denkst.‹« Sie dreht sich zu mir um. »Möchten Sie sehen, was er gesehen hat?«
Bevor ich Nein sagen kann, verändern sich ihre Augen, und mir stockt der Atem.
Sarahs Augen füllen sich mit einer Trauer und einer Sehnsucht, so lebendig wie ein Sonnenaufgang. Ich sehe unerfüllte Hoffnung und eine unendliche Verlorenheit darin.
Sie wendet sich ab, und ich bekomme wieder Luft.
Wie hat sie das gemacht?
»Was geschah dann, Sarah?« Ich bin ein wenig zittrig.
»Er saß eine Weile da, während er mich durch die Kamera beobachtete. Dann fing er an, mit mir zu reden. ›Weißt du, was bei dieser Sache das Aufregendste für mich ist, Sarah? Die Dinge, die ich nicht kontrollieren kann. Nimm dieses Haus hier. Eine Familie, die dich freundlich aufgenommen hat, ohne wirklich warmherzig zu sein. Ein Sohn, der aller Welt ein perfektes Gesicht zeigt und dich erpresst, damit du ihm den Schwanz lutschst. Es ist erstaunlich. Auf der einen Seite ist es purer Zufall. Ich habe dieses Zuhause nicht erschaffen. Auf der anderen Seite bist du nur hier, weil ich dafür gesorgt habe. Hast du je daran gedacht, wenn Michaels Schwanz in deinem Mundwar? Dass du hier bist und in sein Gesicht sehen musst wegen der Dinge, die ich getan habe?‹« Sarah lacht sarkastisch. »Er hatte recht. Ich habe bei diesen Gelegenheiten an den Künstler denken müssen.« Ich sehe, dass ihre Hände immer noch zittern.
Woher hat er gewusst, dass Michael sie missbraucht? Ich mache mir eine gedankliche Notiz, die ich erst einmal für mich behalte.
»Sprich weiter«, ermuntere ich Sarah.
»Dann wurde er gemein.« Sie starrt wieder nach draußen, während sie weiterspricht. »›Weißt du, was Michael aus dir gemacht hat, Sarah – in dem Augenblick, in dem du als Gegenleistung für sein Schweigen in die Knie gegangen bist? Er hat dich zu einer Hure gemacht.‹«
Sarah schlägt die Hände vors Gesicht, und ihre Schultern beben.
»Ist alles in Ordnung?«, frage ich leise.
Sie stößt einen tiefen Seufzer aus, fast ein Schluchzen. Der Augenblick vergeht, und sie lässt die Hände in den Schoß sinken.
»Es geht so«, sagt sie tonlos. Und dann erzählt sie weiter von ihrer Begegnung mit dem Mann, den sie »den Künstler« nennt.
»›Zufall, und auch wieder nicht‹, hat er gesagt. ›Ich musste nichts weiter tun, als dich auf die Straße zu setzen, wie Gott es mir befohlen hat. Ich wusste, dass ich mich auf die menschliche Natur verlassen konnte und deine Reise hart werden würde, solange ich diejenigen aus dem Weg räumte, die freundlich zu dir waren. Es ist immer nur eine kleine Minderheit, die sich um andere kümmert, Little Pain. Nicht mehr als ein Regentropfen in einem Sturm.‹« Sarah sieht mich an. »Er hat recht. Er mag die Karten gezinkt und meinem Leben einen Stoß versetzt haben, aber die Leute, die mir schlimme Dinge angetan haben …« Sie reibt sich die Arme, als wäre ihr plötzlich kalt. »Er hat sie nicht dazu gezwungen. Sie haben es aus eigenem Antrieb getan.«
Ich will sie trösten, will ihr sagen, dass nicht alle Menschen böse sind, dass es viele gute Leute auf der Welt gibt, doch ich habe gelernt, diese Regung zu unterdrücken. Opfer wollen keine Worte des Mitgefühls. Sie wollen, dass ich die Zeit für sie zurückdrehe, dass ich die Dinge ungeschehen mache.
»Sprich weiter«, sage ich.
»Er redete weiter. Er mag es, sich selbst reden zu hören. ›Unsere gemeinsame Zeit ist bald zu Ende‹, sagte er. ›Ich bin fast so weit, meine Arbeit zu vollenden. Ich habe die letzten wenigen Stücke gefunden, nach denen ich gesucht habe, und sehr bald schon werde ich mein Meisterwerk enthüllen.‹ Er steckte die Kamera wieder ein und erhob sich. ›Es ist Zeit für den nächsten Abschnitt deiner Reise, Little Pain. Folge mir.‹«
»Warum nennt er dich ›Little Pain‹?«
»Es ist sein Kosename für mich. Ich bin sein kleiner Schmerz.« Grelle Wut lodert in ihren Augen. »Ich hasse diesen
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