Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
mir befohlen hatte.«
»Und nun bist du hier und lebst«, sage ich, um sie zu ermutigen.
»Ja … ja.« Erneut diese unendliche Müdigkeit.
»Was ist dann passiert?«
»Er befahl mir, mit ihm ins Badezimmer zu kommen. Er beugte sich über die Wanne und tauchte eine Hand in das Blut. Er fing an, mich damit zu bespritzen. ›Im Namen des Vatersund der Tochter und des Heiligen Geistes‹, sagte er dabei. Er bespritzte mein Gesicht und meine Sachen mit Blut.«
Die tränenförmigen Spritzer, die mir gestern Abend aufgefallen waren. Eine Frage kommt mir in den Sinn.
»Hat er genau das gesagt, Sarah? ›Im Namen des Vaters und der Tochter und des Heiligen Geistes‹? Nicht ›Im Namen des Vaters und des Sohnes‹?«
»Er hat genau das gesagt.«
»Erzähl bitte weiter.«
»Dann sagte er zu mir, dass er jetzt ein paar … Dinge tun müsste. Er müsse sich Ausdruck verleihen. Er zog seine Sachen aus.«
»Ist dir irgendetwas an ihm aufgefallen?«, frage ich. »Muttermale, Narben oder so?«
»Ein Tattoo. Auf seinem rechten Oberschenkel, wo niemand es sehen kann, solange er nicht nackt ist.«
»Was für ein Tattoo?«
»Ein Engel. Kein hübscher Engel. Er hatte ein böses Gesicht und ein Flammenschwert. Ziemlich schaurig.«
Ein Racheengel vielleicht? Sieht er sich so? Oder ist es ein Symbol für das, was er tut?
»Wenn ich einen Zeichner zu dir schicken würde, könntest du dieses Tattoo beschreiben?«
»Sicher.«
Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Psycho sich mit einem Entwurf aus irgendeinem Vorlagenbuch zufrieden geben würde. Er hat das Tattoo bestimmt selbst entworfen und jemanden genau so ausführen lassen, wie er es haben wollte. Gut möglich, dass es uns gelingt, den Tattoo-Künstler aufzuspüren.
»Sonst noch etwas?«
»Als ich ihn nackt sah, konnte ich erkennen, dass er sich am ganzen Körper rasiert. Achselhöhlen, Brust, Beine, am Schwanz, überall.«
Das ist nicht ungewöhnlich für einen organisiertenVerbrecher. Die meisten studieren die grundlegenden Prinzipien der Forensik und versuchen, uns möglichst wenige verwertbare Spuren zu hinterlassen. Serienvergewaltiger rasieren sich mit schöner Regelmäßigkeit die Körperhaare.
»Was ist mit Leberflecken? Narben?«
»Nur das Tattoo.«
»Das ist gut, Sarah. Wenn wir ihn finden, wird uns das helfen, ihn festzunageln.«
»Okay.« Sie wirkt lustlos.
»Er hat sich also ausgezogen. Was dann?«, muntere ich sie auf.
»Er war hart.«
»Du meinst, er war erigiert?«
»Ja.«
Ich beiße mir auf die Unterlippe, stelle die Frage, die ich fürchte. »Hat er … hat er dich angefasst?«
»Nein. Er hat mich nie gevögelt. Er hat es nie auch nur versucht.«
»Was hat er dann getan?«
»Er nahm zwei Paar Handschellen aus seinen Hosentaschen. ›Ich muss dich jetzt fesseln‹, sagte er. ›Damit ich meine Arbeit beenden kann, ohne Angst zu haben, du könntest davonlaufen.‹ Er fesselte mir die Hände auf den Rücken, dann fesselte er meine Fußgelenke. Er trug mich ins Schlafzimmer und setzte mich auf den Fußboden. Ich wehrte mich nicht.«
»Erzähl weiter.«
»Er ging nach unten und kam mit einem großen Topf zurück.«
»Einem Kochtopf?«
»Ja. Er füllte ihn mit Blut aus der Wanne, und dann …« Sie zuckt die Schultern. »Sie haben gesehen, wie das Schlafzimmer aussieht.«
Er hatte eine kleine Party. Er bespritzte die Wände. Fingermalereien aus der Hölle.
»Wie lange ging das so?«
»Ich weiß es nicht«, sagt Sarah tonlos. »Ich weiß nur, dass überall Blut war, als er fertig war. Überall. Auch er selbst war von oben bis unten voller Blut.« Sie verzieht das Gesicht. »Mein Gott, er war so stolz! Er beendete seine … Arbeit, stand für einen Moment am Fenster und starrte nach draußen. ›Was für ein schöner Tag!‹, sagte er. ›Wie von Gott gemacht.‹ Er schob das Fenster auf und stand da, splitternackt und voller Blut.«
»Danach ist er schwimmen gegangen, nicht wahr?«
Sie nickt. »Er ließ mich im Schlafzimmer liegen und ging nach unten. Ein paar Minuten später hörte ich ihn im Pool plantschen.« Sie sieht mich an. »Ich wurde immer benommener. Alles verschwamm. Ich dämmerte immer wieder weg. Ich dachte, ich verliere den Verstand oder so.«
Wer würde das nicht?
Sie seufzt. »Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging. Ich erinnere mich nur, dass ich dagelegen habe, und es fühlte sich an, als würde ich immer wieder einschlafen und hochschrecken. Aber ich bin nicht eingeschlafen. Ich glaube, ich bin immer wieder
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