Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
selbst. Ich erinnere mich nur, wie ich gedacht habe, tu, was du tun musst, um am Leben zu bleiben, wieder und wieder, während ich das Skalpell nahm und zu Laurel ging und sie aufschnitt, und dann ging ich zu Dean und schnitt ihn ebenfalls auf. Dann schälte ich ihre Haut zurück, weil der Künstler es mir befahl. Als Nächstes musste ich die Muskeln durchschneiden und zur Seite ziehen, und dann kamen die Knochen und die Eingeweide, und ich musste die Hände in ihre Bäuche stecken und ziehen und ziehen. Es war wie Gummi wie Gelee und nass und stinkend und dann war es vorbei.« Ihr Kopf sinkt nach vorn, und sie schweigt.
Die Worte kommen aus ihr hervorgesprudelt ohne Interpunktion, wie eine Flut. Sie haben sie ausgeleert und mich angefüllt, Abwasser, ein toter Fluss, eine Flutwelle aus nacktem Entsetzen. Ich will aufstehen und davonlaufen und nie wieder etwas von Sarah hören oder sehen oder an sie denken müssen.
Das kannst du nicht. Sie hat noch mehr zu sagen.
Ich schaue Sarah an. Sie starrt schweigend auf ihre Hände.
»Tu, was du tun musst, um am Leben zu bleiben, habe ich mir immer wieder gesagt«, flüstert sie schließlich. »Er grinstenur und filmte alles. Tu, was du tun musst, um am Leben zu bleiben. Am Leben bleiben.«
»Sollen wir aufhören?«, frage ich.
Sie wendet sich mir zu, mit verwirrtem Blick.
»Was?«
»Ob wir aufhören sollen? Brauchst du eine Pause?«
Sie starrt mich an, scheint wieder zu sich zu kommen. Sie presst die Lippen aufeinander und schüttelt den Kopf.
»Nein. Ich will es hinter mich bringen.«
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher.«
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Doch ich muss den Rest erfahren, und ich glaube, Sarah muss es sich von der Seele reden.
»Also. Was ist als Nächstes passiert?«
Sie reibt sich mit den Händen durchs Gesicht. »Er befahl mir, mit ihm nach unten zu kommen. Ich folgte ihm in den Salon. Michael saß dort auf der Couch, splitternackt. Auch er konnte sich nicht mehr bewegen.
Der Künstler lachte und tätschelte Michael den Kopf. ›Jungs sind Jungs, wie? Aber das wusstest du bereits, Little Pain, nicht wahr? Michael war ein böser Junge. Er hatte eine Videokamera laufen, während du zwischen seinen Beinen gekniet hast. Ich habe die Bänder auf einem meiner Aufklärungsbesuche gefunden. Keine Sorge, Little Pain, ich werde sie mitnehmen. Es bleibt unser kleines Geheimnis.‹ Er riss Michael von der Couch hoch und zerrte ihn über den Teppich.« Sarah runzelt die Stirn. »Ich hatte immer noch das Skalpell. Er hatte es mir nicht weggenommen, so sicher war er, dass ich nichts versuchen würde.« Sie zuckt elend die Schultern. »Er zerrte Michael vor mich hin, und dann sagte er, jetzt wäre ich an der Reihe. ›Nur zu‹, sagte er. ›Du hast oben ja gesehen, wie ich es gemacht habe. Von einem Ohr zum anderen, ein breites rotes Grinsen.‹ Ich sagte Nein.« Sie schüttelt den Kopf, eine Geste der Verzweiflung. »Als hättees ihn interessiert. Als hätte es irgendetwas ausgemacht.« Ihr Gesicht ist voller Schmerz, verzerrt und von Selbsthass erfüllt. »Letzten Endes kann man sich auf eines verlassen – ich tue alles, was ich tun muss, um zu überleben. ›Tu es‹, befahl der Künstler, ›oder ich schneide dir die Brustwarzen ab und gebe sie dir zu essen.‹« Sie stockt, senkt erneut den Blick. »Ich habe es getan«, sagt sie schließlich kleinlaut. Sie sieht mich an, voller Angst, was ich vielleicht denke. »Ich wollte nicht, dass er stirbt«, sagt sie mit bebender Stimme. »Auch wenn er mich erpresst und zum Sex gezwungen hat und all die anderen gemeinen Dinge. Ich wollte nicht, dass er stirbt.«
Ich ergreife ihre Hand. »Ich weiß.«
Sie lässt ihre Hand einen Moment in der meinen, bevor sie sie wegzieht.
»Michael blutete und blutete und blutete. Es hörte überhaupt nicht mehr auf. Und dann musste ich dem Künstler helfen, seine Leiche die Treppe hinaufzutragen. Er legte ihn auf das Bett, zwischen Dean und Laurel.
›Es ist nicht deine Schuld‹, sagte er. Ich dachte zuerst, er spricht zu mir, dann erst erkannte ich, dass er zu Michael redete. Ich hatte Angst, er könnte mich zwingen, Michael aufzuschneiden, aber das hat er nicht getan.« Sie stockt. »Ich wurde … wahnsinnig. Ich glaube, der Künstler hat es gemerkt. Wahrscheinlich dachte er, ich könnte irgendwas versuchen, denn er befahl mir, das Skalpell fallen zu lassen. Ich hatte tatsächlich daran gedacht, ihn anzugreifen. Ehrlich. Aber dann ließ ich das Skalpell los, wie er es
Weitere Kostenlose Bücher