Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
und unter Entzug leide, ist es zwar nicht so, als wäre die Welt an sich schlecht – doch sie strahlt nicht mehr.
Ich bin mir nicht sicher, ob Bonnie oder Elaina oder Callie oder auch nur der J-O-B mich je wieder auf diese Weise zufrieden machen werden. Ich liebe sie alle, doch ich misstraue ihrer Fähigkeit, die Leere in mir zu füllen und das Strahlen in die Welt zurückzubringen. Das ist hässlich und selbstsüchtig, aber es ist wahr.
Deswegen ist Quantico so verlockend für mich. Eine nukleare Veränderung, eine Atompilzwolke aus »Anders«. Vielleicht ist es das, was ich wirklich brauche. Einen brutalen Bruch, um mich bis in mein Innerstes zu erschüttern und meine Knochen durchzurütteln.
Der Elefant stampft davon, ohne dass ich es ihm erlaubt hätte. Wenn ich Tequila trinke, kann ich ohne Scham mit meinen Bildern reden, scheint es.
Elefant , denke ich. Dein Name ist »Nicht-Glücklich«. Oder vielleicht »Nicht-strahlend«.
Wird Quantico das ändern?
Wer weiß das schon? Ich brauche eine Zigarette.
Ich seufze und ergebe mich in meine Schlaflosigkeit, in mein Wachsein. Zeit, das Persönliche beiseitezuschieben und mich in die Arbeit zu stürzen. Es ist eine alte Lösung, doch sie funktioniert immer und verbannt garantiert die Elefanten, die einen sonst plagen.
Ich gehe nach oben, packe meine Notizen und kehre ins Wohnzimmer zurück. Ich setze mich aufs Sofa und versuche meine Gedanken zu ordnen.
Ich nehme die Seite mit der Überschrift TÄTER und füge hinzu: ALIAS »DER KÜNSTLER« .
Ich denke über das nach, was ich bisher in Sarahs Tagebuch gelesen habe. Dann fange ich an zu schreiben. Meine Notizen sind weniger strukturiert und mehr aus dem Stegreif heraus.
ER MUSSTE SCHMERZ ERLEIDEN – ER FÜGT ANDEREN SCHMERZEN ZU. AUS RACHE.
DIE FRAGE JEDOCH BLEIBT: WARUM SARAH?
Die logische Antwort wäre, dass er Sarah für etwas bezahlen lässt, das ihre Eltern getan haben. Doch er hat Sam und Linda Langstrom gesagt, dass es nicht ihre Schuld sei. Es ist nicht Ihre Schuld, doch Ihr Tod ist meine Gerechtigkeit. Hat er Sarah willkürlich ausgewählt?
Ich schüttle den Kopf. Nein. Es gibt eine Verbindung, und sie ist nicht metaphorisch. Ich habe das Gefühl, etwas zu übersehen. Etwas, das mir direkt in die Augen starrt. Etwas darüber, wie der Künstler gesprochen hat, zu wem er gesprochen hat …
Ich richte mich kerzengerade auf. Plötzlich bin ich voller Spannung.
Wenn Sarahs Bericht exakt ist, hat der Künstler zu Linda gesprochen, als er »Ihr Tod ist meine Gerechtigkeit« gesagt hat.
Zu Linda.
Ein Satz, den ich heute gehört habe, kommt mir in den Sinn.
Der Vater und die Tochter …
Die Rache des Künstlers ist nicht willkürlich, und er liebt seine Botschaften. Das war kein unbedachter Ausrutscher.
Ich fange an zu schreiben.
Was, wenn das Objekt der Rache eine Generation zurückreicht? Gestern, als er Sarah mit Blut bespritzt hat, hat der Künstler zu ihr gesagt: »Der Vater und die Tochter und der Heilige Geist.« Er hat zu Linda Langstrom gesagt: »Es ist nicht Ihre Schuld, doch Ihr Tod ist meine Gerechtigkeit.« Könnte es sein, dass es um Lindas Vater geht? Sarahs Großvater?
Ich lese, was ich geschrieben habe, und erneut geht ein Schwall von Energie durch mich hindurch.
Ich bin in meinem Büro, in meinem Haus, und faxe James die Seiten mit meinen Notizen. Ich habe ihn nicht angerufen; James wird das Faxgerät hören und aufwachen. Er wird wütend sein und verstimmt, doch er wird die Seiten lesen. Es ist wichtig, dass er weiß, was ich herausgefunden habe.
Der Großvater.
Es erscheint mir zumindest möglich, sehr gut möglich.
Das Gerät piepst und lässt mich wissen, dass es fertig ist. Ich kehre nach unten zurück, schaue auf die Uhr. Fünf Uhr morgens. Die Zeit läuft weiter.
Ich will, dass endlich Morgen ist, verdammt, und zwar schnell!
Mir kommt ein Gedanke.
Sarah hat gesagt, dass niemand ihr glaubt, was den Künstler angeht.
Warum? Nach allem, was ich bisher gelesen habe, ergibt das keinen Sinn.
Ich schaue zu den Tagebuchseiten, die auf dem Wohnzimmertisch warten. Ich blicke zur Uhr und rechne aus, wie viele Stunden mir noch bleiben.
Es gibt nur eine Möglichkeit, die Antwort auf meine Frage zu finden.
Sarahs Geschichte - Zweiter Teil
KAPITEL 24
Und? Wie gefällt Ihnen meine Geschichte bisher? Nicht schlecht für ein Mädchen, das noch nicht ganz sechzehn ist, nicht wahr? Wie ich bereits sagte, ich bin eher Sprinter als Langläufer, und wir sind durch den ersten Teil
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