Der Törichte Engel
Verblichenen hinüber, um zu zeigen, was er meinte. »Ich erklär es Ihnen beim Essen.«
Lena nickte langsam. »Wir werden seinen Wagen verstecken müssen.«
»Selbstverständlich.«
»Okay, also«, sagte Lena, »wären Sie so nett, den Spaten … mh, ich kann nicht glauben, was hier passiert.«
»Hab ihn«, sagte Tuck, als er in die Grube sprang, um dem Weihnachtsmann den Spaten aus dem Hals zu ziehen. »Sehen Sie es als vorzeitiges Geschenk.«
Tuck legte seine Jacke ab und begann, den harten Boden aufzugraben. Er war ein wenig benommen und fast ausgelassen, freute sich, dass er Weihnachten nicht wieder allein mit seinem Flughund würde verbringen müssen.
4
Stille Nacht, höllische Nacht
Josh wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, holte tief Luft und nahm den Weg zum Haus hinauf. Noch immer zitterte er, denn schließlich hatte er gesehen, wie der Weihnachtsmann einen Spaten in die Kehle bekam, und doch wurde ihm langsam bewusst, dass ihm dieser Umstand den Ärger vielleicht nicht ersparen würde. Als Erstes würde seine Mom sagen Was hast du auch so spät noch draußen zu suchen? Und der blöde Brian, der nicht sein richtiger Vater, sondern nur der bescheuerte Freund seiner Mutter war, würde sagen: »Ja, wahrscheinlich wäre der Weihnachtsmann noch am Leben, wenn du nicht so lange bei Sam geblieben wärst.« Also beschloss er draußen vor der Haustür, es mit einem hysterischen Anfall zu versuchen. Er fing an, schnell zu atmen, presste ein paar Tränen hervor, brachte ein ordentlich wimmerndes Schluchzen zustande, dann machte er die Tür mit einem nachdieselnden Schluchzer auf. Er sank auf die Fußmatte und stieß ein ohrenbetäubendes Feuerwehrwagen-Sirenengeheul aus. Und nichts passierte. Niemand sagte ein Wort. Keiner kam angelaufen.
Also robbte Josh ins Wohnzimmer, mit einem hübschen, glitzernden Sabberfaden, der von seiner Unterlippe auf den Teppich hing, während er sein schleimiges »Mami« winselte, wohlwissend, dass es ihren Zorn abkühlen und sie dazu bewegen würde, ihn vor dem blöden Brian zu beschützen, den er nicht so leicht einwickeln konnte. Doch keiner rief ihn, keiner kam angelaufen, der blöde Brian lag nicht breit und bräsig auf dem Sofa wie das dicke Faultier, das er war.
Josh schaltete einen Gang zurück. »Mom?« Nur der Hauch von einem Schluchzer war noch da, bereit, gleich wieder loszulegen, falls sie antwortete. Er ging in die Küche, wo die Memo-Leuchte an Moms Anrufbeantworter blinkte. Josh wischte sich die Nase am Ärmel und drückte auf den Knopf.
»Hi, Joshy«, sagte Mom mit ihrer freundlichen, immer müden Stimme. »Brian und ich mussten mit ein paar Kunden essen gehen. Da ist eine Packung Stouffer’s Käsemakkaroni im Kühlschrank. Wir sind wahrscheinlich vor acht wieder da. Mach deine Hausaufgaben. Ruf mich auf meinem Handy an, wenn was ist.«
Josh konnte sein Glück nicht fassen. Er sah auf die Uhr an der Mikrowelle. Erst halb acht. Genial! Sturmfreie Bude für das Schlüsselkind! Yeah! Der blöde Brian hatte ein Geschäftsessen. Er holte das Stouffer’s aus dem Kühlschrank, schob es – mit Karton und allem – in die Mikrowelle und stellte die Zeit ein. Man musste die Plastikfolie nicht wirklich abziehen, wie es da stand. Wenn man das Zeug einfach im Karton verstrahlte, verhinderte die Pappe, dass es in der Mikrowelle explodierte, wenn sich die Folie auflöste. Josh wunderte sich, dass das nicht in der Anleitung stand. Er ging wieder ins Wohnzimmer, machte den Fernseher an und ließ sich davor auf den Teppich sinken, um zu warten, bis die Mikrowelle piepste.
Vielleicht sollte er bei Sam anrufen, dachte er. Ihm das vom Weihnachtsmann erzählen. Aber Sam glaubte nicht an den Weihnachtsmann. Er sagte, der Weihnachtsmann sei nur erfunden worden, damit die Gois nicht traurig waren, weil sie keine Menora hatten. Das war natürlich Quatsch. Gois (ein jüdisches Wort für Girls und Boys, wie Sam erklärt hatte) wollten überhaupt keine Menora. Sie wollten Toys. Sam sagte das nur, weil er sauer war, dass sie ihm statt Weihnachten zu feiern ein Stück von seinem Schniedel abgeschnitten und Mazeltov gesagt hatten.
»Wow, ist echt scheiße, du zu sein«, sagte Josh.
»Wir sind die Auserwählten«, sagte Sam.
»Nicht beim Völkerball«, sagte Sam.
»Halt die Klappe.«
»Nein, halt du die Klappe.«
»Nein, halt du die Klappe.«
Sam war Joshs bester Freund, und sie verstanden sich gut, aber ob Sam wusste, was man bei einem Mord unternahm? Besonders bei einem
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