Der Toeter und andere Erzaehlungen
danach gesucht habe. Jetzt erst fing er an, richtig zu suchen; bei der Gründlichkeit, mit der er jeden Winkel abgesucht hatte, wäre es anders auch schwierig gewesen daran zu glauben, daß sich der Kamm finden lasse. Niemand hat Lust nach etwas zu suchen, wovon er sicher weiß, daß es nicht zu finden ist.
Erst in Tampere gab er es auf, als er den Zug verließ. Noch auf dem Weg zur Tür bückte er sich, um unter den Bänken nachzusehn. Bei der Gelegenheit sah ich ihn zum ersten Mal von der anderen Seite. Der Kamm war in den Umschlag seines rechten Hosenbeins gerutscht, die Zinken standen ein wenig hervor. Aber ich brachte nicht den Mut auf, es ihm zu sagen, denn bestimmt wäre er sich wer weiß wie doof vorgekommen. Zugleich dachte ich, daß das ebensogut ein anderer Kamm sein könnte, oder daß ich nicht richtig gesehn hätte. Vielleicht war sein Hosenumschlag auch mit einem schwarzen Faden angehefet.
Als der Zug anfuhr, setzte ich mich auf den Platz des jungen Mannes und begann der Sache nachzugehn. Ich wollte wissen, ob der Kamm wirklich in den Hosenumschlag gerutscht sei. Ich hatte einen langen Bleistif bei mir. Damit stocherte ich in sämtlichen Winkeln und Ritzen herum, aber nirgends war der Kamm zu finden. Langsam wurde mir klar, daß er im Umschlag seines Hosenbeins stecken mußte. In solch einem Hosenbeinumschlag hab ich einmal einen Ohrring gefunden, den die ganze Gesellschaf überall gesucht hatte. Ich wagte nicht, ihn der Frau zurückzugeben. Sie hätte mir ja doch nicht geglaubt. In jedem Fall hätte ich damit doch wohl den Verdacht erregt, daß ich zuerst daran gedacht habe, ihn mir unter den Nagel zu reißen. In so einem Fall kann man anstellen was man will, man ändert überhaupt nichts an der Sache. Wenn man zum Beispiel einer Frau sagt, daß sie schöner geworden sei, und man kann sich noch solche Mühe geben dabei, es bleibt einem immer ein übler Geschmack im Mund zurück. In jedem Fall denkt sie, der kann damit nur gemeint haben, daß ich früher eigentlich häßlich gewesen bin.
Einmal ging einem studierten Frauenzimmer der Magister ring verloren. Sie suchte über eine Woche danach, sie machte großen Hausputz, und war dann natürlich sicher, daß sie den Ring mit den Kleidern hinausgeschaf habe. Das hatte den Vorteil, daß sie nicht mehr weiter danach zu suchen brauchte. Dann kam zu ihr eines Tages ein Privatschüler, der bei ihr in Mathematik eine Jahresprüfung ablegte. Der Schüler schrieb an ihrem kleinen runden Wohnzimmertisch, auf dem ein dickes, festes Leinentuch lag, das mit allerlei Blättern, Blumengirlanden und Kolibris in den verschiedensten Farben bestickt war. Der Schüler schob etwas, das auf dem Tisch lag, beiseite, um es nicht unter seinem Papierbogen zu haben. Das kleine Ding war ihr goldener Magisterring. Der hatte sich auf dem Tischtuch so plaziert, daß es aussah, als wäre er ein Teil der Stickerei. Ich versteh bloß den ganzen Aufwand mit dem Hausputz nicht, was hat sie da in der Wohnung überhaupt geputzt, wenn sie nicht mal das Tischtuch auf dem Balkon ausgeschüttelt hat. Aber das ist ja nun ihre Sache.
Ich stocherte mit meinem Bleistif unten an den Heizungsrohren herum, als mir gegenüber ein älterer dicklicher Handlungsreisender Platz nahm, jedenfalls wischte er sich mit einem bunten Stoffmusterhef den Schweiß von der Stirn.
– Ist etwas verloren gegangen? fragte er. – Da zwischen den Rohren ein Kamm.
Er bückte sich zum Fußboden hinunter und schob die Fußspitzen zur Seite, um besser sehen zu können.
– Das ist kein besonderer Kamm gewesen, sagte ich.
Ein Fünfgroschenkamm. Aber was kann man hier schon viel machen, deshalb guck ich ein bißchen nach.
– Das lohnt sich immer. Wenn man sich jedes Mal einen neuen Kamm kaufen wollte, wenn einem der alte verlorengeht, das geht mit der Zeit ins Geld. So reden anscheinend alle Geschäfsleute. Offenbar lohnt sich das für sie, wenn sie den Leuten weismachen, daß sie sich um die Sachen kümmern, so daß wenigstens nicht deren Quantität abnimmt in der Welt, wegen der Kunden.
Er erwärmte sich auch bald für den Fall, und kam mir auch sonst zur Hilfe, nicht nur mit Worten. Er schnallte seinen Gürtel ab und versuchte es damit; damit ginge es am besten, sagte er, der sei biegsam und ginge durch jede Öffnung. Mit dem Gürtel käme er durch drei von vier zugeschlagene Wohnungstüren, sagte er. Wenn die Leute ihren Schlüssel in der Wohnung vergessen haben, montieren sie die Postluke ab und erweitern den
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