Der Toeter und andere Erzaehlungen
bewegten sich alle auf die gleiche Weise, nur blieben die einen etwas hinter den anderen zurück. Vielleicht liegt das an den kleinen Gewichtsund Längenunterschieden der Schnüre. Jetzt fällt mir ein, daß das Gewicht gar nicht darauf einwirkt, es wirkt nicht auf die Schwingungsdauer des Pendels ein. Als der Schaffner fort war, begann ich von neuem meine Fahrkarte zu suchen, ich suchte danach, bis wir in Tampere waren. Der junge Mann dürfe wohl ebenso bis ans Ziel seiner Reise nach dem Kamm suchen, ohne ihn zu finden. In Hämeenlinna stieg einmal ein Mann zu, der Lose verkaufe. Er schleppte sich durch den Wagen wie an unsichtbaren Bankreihen entlang. Ich kaufe ihm ein Los ab, das mir keinen Gewinn brachte, nicht mal ein Freilos. Der Mann hatte ein zwei Spannen dikkes, schmales Bündel Lose, das ein dünner roter Gummiring zusammenhielt. Der Gummiring sprang ab und flog gegen die Banklehne, wo er direkt neben mir am Stoff hängen blieb. Einmal ist mir solch ein Gummiring entsprungen, der unter der Zimmerdecke, wo die Tapete aufört, hängenblieb. Ich fragte mich, was für eine Adhäsion das sein könnte, die ihn dort festhielt. Nachts war er dann abgefallen.
Die Lose machten sich selbständig und suchten in
zwei verschiedenen Richtungen das Weite. Er begann sie aufzuklauben, wie aus dem Feuer. Wohl kaum hatte er die Erlaubnis, sie im Zug zu verkaufen. Ich wagte nicht, ihm zu helfen, weil ich fürchtete, er konnte sich klar machen, wie leicht ich das eine oder andere verschwinden lassen könnte. In Riihimäki stieg der Mann aus. Ich fuhr weiter bis Helsinki. Erleichtert lehnte ich mich zurück. Dabei bemerkte ich, daß mir gegenüber unter der Bank ein Los lag. Ich hob es auf und öffnete es. Es war eine Niete. Dann entdeckte ich unter dem Heizungsrohr ein zweites. Als ich mich danach bückte, sah ich unter der Bank noch drei andere Lose liegen. Ich nahm alle vier und riß sie auf. Für zwei hätte ich Freilose bekommen. Ich kam in Schwung und fing an, genauer nachzusuchen. Unter der Bank lag ein ganzer Stoß Lose. Ich riß sie auf und besah mir die Nummern. Mehrere Lose hatten Nummern über dreißig. Nicht ein einziges hätte mich in den Besitz von Fahrrädern, Radios und Fotoapparaten gebracht, aber an die zehn Freilose hätte ich bekommen. Der Blechkasten für Abfälle, so ein halbierter Zylinder, wurde bis oben hin voll mit geöffneten Losen. Die Lose hatten ein extra langes Format und waren fünffach gefaltet. Ich verlor die Lust, weiter danach zu suchen, ohne Gewinnchancen konnte ich der Sache nichts abgewinnen. Aber als ich in Helsinki von meinem Platz aufstand, um den Mantel anzuziehen, sah ich, daß ich auf vier Losen gesessen hatte. Ich riß sie im Stehen auf. Es waren alles Nieten.
Ich will damit nicht behaupten, daß alle Lotterien so schlecht sind. Einmal wurde während eines Teeabends in einer landsmannschaflichen Verbindung eine Lotterie veranstaltet, so eine mit 99 Losen, für die man sich keine steueramtliche Erlaubnis einzuholen braucht. Ein Professor zog ein Los mit einem Gewinn, als hätten die Veranstalter das so abgekartet. Er gewann eine Flasche Weißwein, eine Literflasche, deren Etikett so groß und bunt war, daß ich den Namen der Marke nicht entziffern konnte, als sie die Flasche im Saal herumreichten. Sie konnten sich nicht entschließen, sie dem Professor zu überreichen, weil er, wie man wußte, Abstinenzler aus Überzeugung war; sie überlegten, ob man ihm die Tischlampe aus dem Zimmer des Kurators geben solle, aber da man den Gewinn schon überall herumgezeigt hatte, hatten sie zuletzt doch nicht den Mut dazu. Alle waren erheitert, der Professor hob die Flasche hoch und stimmte mehr als nötig gewesen wäre in das allgemeine Gelächter ein. Er ging nach Hause, ehe die Tanzerei begann. Kaum war er zur Tür hinaus, als ihm auch schon die Flasche unter dem Arm wegrutschte und vor ihm in Scherben ging, die sich dann im Treppenhaus bis zur Haustür und auf die Straße hinaus verteilten. Möglicherweise treiben sie sich da immer noch herum. Sie hätten dem Professor eine Tasche mitgeben sollen, dann hätte er die Flasche nicht unter den Mantel zu stecken brauchen, wie ein »fliegender Spirituosenhändler«. Ich kam von diesen Erinnerungen nicht los, weil der junge Mann immerfort seinen Kamm suchte. Zwischendurch allerdings saß er da, als wäre nichts geschehn, aber gleich danach fing er wieder von neuem an, als hätte er sich nur darauf besonnen, daß er eigentlich noch gar nicht
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