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Der Toeter und andere Erzaehlungen

Der Toeter und andere Erzaehlungen

Titel: Der Toeter und andere Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veijo Meri
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Mann plötzlich. – Die beiden verzogen keine Miene. – Haben Sie Kinder? – Nein, antwortete die Frau. Eins.
    Der Herr nahm eine Zigarre und zündete sie an. Er starrte wieder auf die im Türfenster schwankende Dachecke. Die Frau sah instinktiv auf den Aufsatz ihrer Bluse. Der Mann streckte seine Hände aus, und griff nach ihren Brüsten, hielt sie einen Augenblick lang fest und zog die Hände wieder weg. Er saß steif da, mit den Händen auf den Knien. Der Herr erhob sich. Die Frau brach in Weinen aus.
    – Beruhige dich jetzt. Und Sie kommen mit in den
    nächsten Wagen. Das muß unter Männer abgemacht werden.
    Der Herr ging voraus. Der Mann folgte ihm. Die Frau weinte hemmungslos, den Kopf gegen die Scheibe gepreßt.
    – Schwein, sagte der Ehemann im anderen Wagen, der voller Reisender war. Sie sind wohl nicht ganz bei Trost, sowas zu machen. Setzen Sie sich da hin, damit wir hier nicht vor allen Leuten. Fassen Sie immer fremden Frauen an die Brüste? – Ne.
    – Sie haben wohl vorher noch nie eine Frau gesehn,
was?
– Doch.
    – Wie kommen Sie denn dazu, sowas zu machen, und noch dazu bei meiner Frau. Ich muß dahin zurück, und bald. Sie sitzt da allein. Das muß jetzt schnell beglichen werden.
    – Ich hab sie nicht beleidigen wollen. Ich kann Schadenersatz zahlen.
    – Können Sie? fragte der Ehemann spöttisch. – Ich kann. Wieviel …
    – Zweihundert, sagte der Ehemann mit einem langen Seufzer.
    Der Mann zog sein Portemonnaie hervor und gab ihm die Scheine.
    – Rühren Sie sich nicht hier weg. Wenn Sie sich drüben im anderen Wagen blicken lassen, werf ich Sie raus. Sie haben, scheint es, noch nicht begriffen, daß ich Sie wegen der Sache vor Gericht bringen kann. Aber lassen wir das jetzt. Ich bin Chirurg und nehme Kleinigkeiten nicht so tragisch.
    – Aber das hab ich doch nicht gewußt, verteidigte sich der Mann.
    Als der Arzt zu seiner Frau zurückkam, hatte sie sich beruhigt und trocknete sich das Gesicht ab. – Einen solchen Schrecken habe ich bekommen. Aber war das nicht unverschämt. Das ist mir im ganzen Leben noch nicht passiert.
    Der Arzt nahm ihre schwarze Kostümjacke vom Haken, warf ihr die Jacke in den Schoß und sagte: – Zieh dir die über.
    – Ich war doch überhaupt nicht provozierend. Gibt es denn hier etwas Dekuvrierendes, sag doch selbst. – Nimm das als Kompliment. Ein Hausvater vom Lande ist bei dem Anblick übergeschnappt. Die Frau fing wieder zu weinen an.
    – Hör auf. Das lohnt sich doch wirklich nicht wegen
so einer Lappalie, sagte der Mann.
– Was hast du mit ihm gemacht?
    – Ihm anständig eins geschoben, und ihm gesagt, wenn er seine Nase nochmal in den Wagen steckt, operiere ich sie ihm ab.
    – Du bist doch nicht hingegangen und hast ihm erzählt, wer du bist. Das ist doch schon im ganzen Wagen herum.
    – Ich bin doch nicht irre. – Was hat er gesagt?
    – Der? Wenn der was gesagt hätte, ich hätte ihn aus dem Zug geschmissen.
    Der Sündenbock saß im anderen Wagen und erzählte einem alten Mann, wie alles gegangen sei. Irgendein junger Mann setzte sich dazu, und ging dann sehen, was das für Leute seien. Er kam zurück und flüsterte:
    – Die sitzen da immer noch. Ich hab sie durch das Fenster da gesehn.

    Der Kamm

    Einem jungen Mann war der Kamm heruntergefallen, hinter die Heizungsrohre unter dem Fenster. Er bückte sich danach und tastete die Rohre und den Fußboden unter den Rohren ab. Der Kamm war verschwunden.
    Was man im Zug verliert, findet man so leicht nicht wieder. Mir ist einmal eine Fahrkarte heruntergefallen; gerade hatte ich sie aufs Fensterbrett gelegt, als sie auch schon fiel und hinter den Heizungsrohren verschwand. Ich fand sie nicht. Der Schaffner kam und sagte: Die Fahrkarten der in Hyvinkää Zugestiegenen! Ich saß da, einfach so als ginge mich das gar nichts an; er ging an mir vorbei. Die müssen die gerade Zugestiegenen an irgendwelchen Kleinigkeiten erkennen; die gerade zugestiegenen Reisenden sind immer lebhafer und geben mehr auf alles acht. Im Winter sollen es die Schuhe sein, auf die sie bei den Reisenden sehen. Wenn Schnee an den Rändern klebt, gibt es keinen Zweifel. Meistens genügt ein Blick in die Augen. Sogar die sich eingeschmuggelt haben, erwidern den Blick, versuchen dann aber plötzlich ganz woanders hinzublicken. Ich ließ mich wohlweislich nicht darauf ein, ihm in die Augen zu sehn. Das ging leicht; ich beobachtete, wie oben die langherabhängenden Schnüre der Lufklappen an der Decke pendelten. Sie

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