Der tolle Nick
und Herz jemand anderem zu schenken. Er versuchte, seine Sache mit mehr Nachdruck zu betreiben und sie zu küssen.
Sie riß sich jedoch aus seiner Umarmung los und stürzte im Zustand höchster Empörung davon, um ihre Tante zu suchen.
Doña Beatrice sah sie lodernd vor Empörung auf sich zukommen und blinzelte erstaunt.
»Señora!« rief Dominica aus. »Ich muß mich über meinen Vetter beklagen. Ich war der Meinung, Ihr hättet mich verstanden, als ich Euch mitteilte, daß ich mich nicht mit ihm vermählen werde! Und heute wagte er es, mich zu belästigen, mir einen Antrag zu machen und sogar noch mehr!« Ihre Augen funkelten, ihre Stimme bebte vor Zorn. »Eurer Sohn, Señora, wagte es, Hand an mich zu legen! Ich werde behandelt wie eine Küchenmagd! Es ist unerträglich, Señora, und ich werde es auch nicht ertragen! So kann man mit mir nicht umgehen! Ihr, Señora, und Euer Sohn werdet lernen müssen, daß man mich nicht so behandeln kann, nein, mich nicht, wahrlich nicht! Und wenn Ihr nicht bereit seid, dies zu respektieren, werde ich meinen Onkel Tobar davon in Kenntnis setzen. Ich, eine Rada y Sylva, muß mir gefallen lassen, daß man mich zu küssen versucht, mich angreift und ungeziemt berührt! O nein, Señora, o nein!«
Zorn und Erregung standen in ihrem Gesicht geschrieben, die Hände hielt sie fest geballt.
Doña Beatrice legte den Gedichtband, in dem sie gelesen hatte, beiseite, fuhr jedoch fort, zu lächeln. Ihre aufmerksamen Augen beobachteten Dominica genau. »Du bist sehr erregt«, bemerkte sie schließlich. »Aber warum eigentlich? Wenn du Diegos Küsse nicht magst, dann kann ich dir nur raten, ihn so bald wie möglich zu heiraten. Ich kenne meinen Sohn, er wird sehr bald aufhören, etwas zu wollen, das ihm schon gehört.«
Dominicas Zorn steigerte sich in echte Erregung; sie schien über sich hinauszuwachsen. »Ihr wollt mich auch noch beleidigen! Was für Worte, Señora, was für schamlose Worte! Mein Onkel kommt offenbar gerade zur richtigen Zeit in die Stadt! Glaubt Ihr, Señora, daß er gutheißen wird, was Ihr mit mir vorhabt? Glaubt Ihr das wirklich?«
»O nein«, erwiderte Doña Beatrice geduldig. »Ich glaube, er hat seine eigenen Pläne mit dir, meine Liebe. Aber ich glaube, seine Pläne unterscheiden sich von den meinen nur in einem winzigen Detail, nämlich im Namen des Bräutigams.«
»Señora, ich kann Euch versichern, daß ich jeden anderen Bräutigam weniger verachtenswert finden werde als Euren Sohn!« sagte Dominica.
»Du kennst den jungen Miguel de Tobar noch nicht«, erinnerte sie ihre Tante. »Ich gebe ja zu, daß Diego es mit dem Chevalier de Guise nicht aufnehmen kann, aber er ist immer noch weitaus besser als Miguel.«
»Der Chevalier de Guise!« rief Dominica erregt aus. »Was hat der Chevalier de Guise mit mir zu tun? Ihr könnt mir nicht ausweichen! Werdet Ihr eine andere Braut für meinen Vetter suchen?«
»Ich habe immer geglaubt, daß wir einander besser verstünden, mein Kind«, klagte Doña Beatrice. »Das werde ich natürlich nicht tun.«
»In diesem Fall muß ich meinen Onkel davon unterrichten. Ihr zwingt mich dazu. Falls er glauben sollte, daß ich mich damit zufriedengebe, nur den Interessen der Carvalhos zu leben, wird er von mir hören, daß dem nicht so ist!«
Doña Beatrice, fächelte sich weiter zu und lächelte. »Wie dumm von dir, mich zu warnen, meine Liebe«, bemerkte sie. »Du zeigst mir deine Waffen – das ist einfach lächerlich. Du solltest dich nicht so hinreißen lassen. Ich fürchte, du wirst den geistigen Kampf gegen mich niemals gewinnen. Wenn du dich beherrscht hättest, hättest du deinen Plan im geheimen ausführen und mich aus der Fassung bringen können. In diesem Fall hätte ich dich respektiert.« Sie nahm ihren Gedichtband wieder zur Hand und suchte die Stelle, an der sie ihre Lektüre beendet hatte. »Du wirst natürlich nicht mehr in Madrid sein, wenn Tobar hierherkommt«, sagte sie.
Dominica wußte, daß die schläfrigen Augen sie nach wie vor aufmerksam beobachteten. Nichts verriet Doña Beatrices Gedanken, nichts, welche Fallen sie zu legen plante. Das Mädchen senkte die Augen, biß sich auf die Lippen, und die Hand, die auf ihrer Brust lag, bewegte sich, als wäre sie sehr erregt. Ihren Geist gegen den ihrer Tante? Sie war sehr zufrieden, daß es zu diesem Kampf kommen sollte, und sie spielte ihre Komödie noch besser, als sie sich selbst bewußt war. »Tante!« Sie gab vor, nach Worten zu ringen, blickte zum Himmel
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