Der tolle Nick
mich fort von hier, irgendwohin.«
Einen Augenblick lang hielt er sie noch fest umfangen, seine Wange an die ihre gedrückt. Dann ließ er sie los, führte sie an den Kamin und hieß sie auf einem Faltstuhl vor dem Feuer Platz nehmen. Er trat mit seiner Stiefelspitze gegen ein glühendes Holzscheit, das unter der Berührung zerbrach. Die Flammen flackerten auf. »Wollen sie dich mit deinem hübschen Vetter vermählen?« fragte er unvermittelt.
»Ich hasse ihn!« sagte sie. »Ich habe meiner Tante gesagt, daß ich ihn niemals, niemals zum Mann nehmen werde, aber sie – ach, Nicholas, du kennst sie nicht! Sie lächelt und nickt und gibt mir recht, aber sie ist hart wie ein Felsen. Ich fürchte mich vor ihr, Nicholas. Sie ist so ruhig, aber sie verfolgt einen wie ein böses Schicksal. Ich fürchte mich.«
»Dazu hast du keinen Grund«, sagte er. »Vergiß nicht, daß ich in deiner Nähe bin, und fasse Mut. Wie kann ich dich von hier wegführen?«
»Wie bist du hierhergekommen? Bist du mit der Venture in jenem Fischerdorf gelandet?«
»Nein, ich kam über die Grenze, ganz offiziell, mit Briefen an König Philipp«, antwortete er.
Sie rang nach Worten. »Bist du ein Zauberer? Erzähle mir, wie es war!«
»Ganz einfach, mein Kind. Ich habe eben Glück, nicht mehr. Ich hatte eine Auseinandersetzung mit einem geheimen Gesandten des Königs. Ich mußte ihn notgedrungen töten und kam an seiner Stelle hierher. Das Problem ist jetzt nur, wie wir an die Küste gelangen. Der Weg dorthin ist weit und beschwerlich, und die Jagd nach uns wird dann auch schon voll im Gange sein …«
Sie richtete sich auf. »Nein, hör mir zu, mein Lieber. Wir werden Madrid sehr bald verlassen. Ich weiß nicht wann, aber sehr bald. Doña Beatrice hat es mir heute abend gesagt und hofft auch, daß mir Don Diego auf dem Land besser gefallen werde als in der Stadt. Wir reisen nach Norden, nach Vasconosa, in der Nähe von Burgos. Ich weiß nicht wann, aber Doña Beatrice meinte, sie wolle bald abreisen.«
»Was hält sie zurück?«
»Diego, glaube ich. Ach nein, er ist ihr eigentlich völlig gleichgültig, aber was für einen Sinn hätte es, mich aufs Land mitzunehmen, wenn er nicht mitkommt? Und er hat hier noch Verpflichtungen und will Madrid erst nach deren Erfüllung verlassen.«
»Der Teufel soll diesen Grünschnabel holen!« sagte Beauvallet. »Nördlich von Burgos? Das ist günstig, das ist günstig.«
Sie sah ihn ungeduldig an. »Es ist nicht weiter von der Küste entfernt als eine Tages- und Nachtreise. Aber sie werden mich natürlich sorgfältig bewachen. Wirst du das schaffen, Nicholas?«
»Selbstverständlich, mein Engel. Hab keine Angst. Die Venture wird vor dem Hafen liegen, den du schon kennst. Und wenn das Glück auf unserer Seite steht, werden wir gut durchkommen.« Er trat ans Fenster und zog den Vorhang ein wenig zurück. »Es wird hell, mein Kind. Ich muß gehen.« Er kam zu ihr zurück und nahm ihre Hände in die seinen. »Überlasse es nur mir, einen Weg zu finden, mein Kleines. Laß mich dich nur hin und wieder sehen und, wenn es nötig sein sollte, ein Wort mit dir sprechen. Ich wohne in der« Aufgehenden Sonne »und habe Joshua mit mir, der Botschaften überbringen kann. Ich habe mich in der Stadt schon ein wenig umgesehen, aber dich nirgends getroffen. Du lebst sehr zurückgezogen, mein Liebling.«
»Ich wollte nicht ausgehen. Aber das ist jetzt vorüber. Ich werde meine Tante am Montag zu Don Alonso de Alepero begleiten. Wirst du auch dort sein?«
»Es wird sich einrichten lassen«, sagte er. »Rechne auch damit, daß ich so bald wie möglich in dieses Haus komme. Deine Tante mag mich anscheinend.« Er beugte sich zu ihr nieder und küßte ihre Hände. »Nun leb wohl, mein Herz, und sei unbesorgt.«
»Wenn ich besorgt bin, dann nur um dich!« sagte sie.
»Um mich mußt du dich erst sorgen, wenn du von meinem Tod erfährst«, lächelte er. »Früher nicht.« Er hielt sie noch einen Augenblick lang fest in seinen Armen. »Und halte dir Diego vom Leibe, mein Mädchen«, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu. »Oder ich könnte in Versuchung kommen, mein Schwert zu ziehen und es ihn fühlen zu lassen.«
»Du mußt vorsichtig sein!« sagte sie eindringlich. »Versprich es mir! Er haßt dich bereits. Er hat es mir heute abend fast gesagt?«
»Gott erhalte ihm seine Albernheit«, sagte Sir Nicholas leichthin.
»Soll ich wegen dieses Lackaffen in Angstschweiß ausbrechen? Wir werden uns schon noch miteinander
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