Der Tomorrow-Code - Thriller
sie leise: »Aber ... aber dann möchte ich doch wirklich gern wissen, was das SOS bedeutet.«
Tane blickte erneut auf die Uhr. Noch neun Stunden und dreiundvierzig Minuten.
SAMSTAGABEND
Samstag, 14. November
Nach Tanes Armbanduhr waren es noch zwanzig Minuten bis zur Ziehung, aber er war sicher, dass sich die Zeiger seit Stunden nicht mehr bewegt hatten.
Er starrte aufs Zifferblatt – doch, tatsächlich, der Minutenzeiger war ein wenig weitergerückt. Er saß auf dem weichen Ledersofa im Wohnzimmer seiner Eltern; von hier aus konnte er die Lichter der Stadt sehen, die hell in die sternenklare Nacht strahlten. Die Lichter eines Flugzeugs setzten eine Punktlinie in den Nachthimmel, wie Perlen an einer Kette. Er bemerkte es kaum. Immerhin war der Zeiger wieder ein Stückchen weitergerückt.
Rebeccas Programm hatte eine zweite Mitteilung aus der Zukunft dechiffriert und war bereits mit einer dritten Botschaft beschäftigt.
Die zweite Message war genauso kryptisch wie die erste.
PROFVICGRNCHMRAPRJCTSTOPIT.
BUYSUBEONTLS.
DNTGOMST.
DNTTLNE1.
Rebecca schnippte direkt vor seiner Nase mit den Fingern, um ihn auf sich aufmerksam zu machen.
»Pass genau auf«, sagte sie, »das ist verdammt wichtig.«
Tane hielt es zwar nicht für so wichtig, aber ihr zuliebe versuchte er, sich zu konzentrieren.
Das war nicht leicht. Seine Hände zitterten, und sein Magen hatte sich verkrampft, sodass er sich am liebsten übergeben hätte. Wenn die Zahlen stimmten, würde Rebecca ihre Schulden und Rechnungen bezahlen können und würde nicht nach Masterton umziehen müssen. Dann würde alles wieder in Ordnung kommen.
»Man nennt es das Großvater-Paradox. Schon mal gehört? Es geht so: Was würde passieren, wenn du eine Zeitreise in die Vergangenheit machen und deinen Großvater umbringen würdest?«
Er starrte sie entsetzt an. »Warum?«
»Was warum?«
»Warum sollte ich zurückreisen und meinen Großvater umbringen wollen? Ich habe doch gar nichts gegen meinen Opa.«
»Tane! Das spielt keine Rolle! Konzentriere dich! Ich sage doch: Wenn! Okay, noch mal. Wenn du also die Zeitreise machst und deinen Großvater umbringst, als er noch ein Junge war, dann hättest du niemals geboren werden können. Und weil du nicht geboren wärst, hättest du auch nicht die Zeitreise zurück machen und deinen Großvater umbringen können. Also könntest du doch geboren werden und könntest also die Zeitreise machen und ihn umbringen, aber dann wärst du eben nicht geboren worden ... und so dreht sich das immer weiter und weiter.«
»Aber mein Opa nimmt mich immer mit zum Angeln ...«, begann Tane, doch als er sah, dass sie ihn gleich verprügeln würde, sagte er schnell: »Schon gut, schon gut, ich hab's kapiert!«
»Manche Leute behaupten, dass die Zeit wie eine Möbiusschleife sei. Ein Endlosband ohne Anfang und Ende und mit einer einzigen Oberfläche, die man Gegenwart nennt.«
Tane schüttelte den Kopf. Dieses wissenschaftliche Zeug mochte für Rebecca eine Art Hirnjogging sein, aber für ihn waren solche Dinge schlicht zu hoch. Er beschäftigte sich wieder mit seiner Armbanduhr. Was wäre, wenn die Zahlen falsch wären? Oder wenn es gar keine Lottozahlen wären?
»Was ist eine Möbiusschleife?«, fragte er.
»Ach, komm schon! Schläfst du eigentlich immer in Mathe?«, rief Rebecca frustriert, dann sprang sie auf, verschwand in Tanes Zimmer und kam mit Papier, Schere, Klebeband und Kugelschreiber zurück. Sie schnitt einen schmalen Streifen vom Papier ab und hielt ihn so, dass sich die Enden trafen, sodass er eine Schleife bildete.
»Eine Möbiusschleife ist ein Stück Papier mit nur einer einzigen Oberfläche und einer einzigen Kante.«
Tane versuchte sich das vorzustellen. »Unmöglich. Wenn ein Stück Papier eine Oberseite hat, hat es auch eine Unterseite, also zwei Oberflächen. Wie kann es nur eine einzige Oberfläche haben?«
»Schau mal her.«
Rebecca nahm ein Ende des Streifens und drehte es um 180 Grad, dann klebte sie es mit dem Klebeband am anderen Ende fest. »Siehst du? Ein Stück Papier mit nur einer einzigen Oberfläche.«
Tane schüttelte den Kopf und betrachtete die Schleife. »Nee, stimmt nicht. Schau mal – es gibt ein Oben und ein Unten. Oder vielleicht sollte man jetzt sagen: eine Innen- und eine Außenseite.«
Er ahnte natürlich, dass er diesen Streit nicht gewinnen würde, aber es machte Spaß, es zu versuchen.
Rebecca reichte ihm den Kugelschreiber. »Ziehe mal eine Linie die
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