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Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Titel: Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Stromiedel
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länger er die Gravur betrachtete, desto unsicherer wurde er.
    Aus einer der Ritzen im Holz krabbelte eine zweite Spinne, sie zog einen Faden hinter sich her und huschte den Türrahmen hinab. Den Metalldorn umging die Spinne in einem Bogen. Simon folgte ihr mit seinem Blick. Er mochte keine Spinnen, auch keine kleinen, aber wenn sie winzig waren wie die hier, waren sie nicht ganz so schlimm.
    Plötzlich stutzte er. Vor ihm auf dem Boden waren Spuren zu sehen, die Abdrücke von Pfoten im Staub. Simon betrachtete sie genauer, sein Großvater hatte ihm bei ihrem letzten Besuch im vergangenen Sommer das Spurenlesen beigebracht: Die Abdrücke hier mussten von einer Katze stammen, vermutete er, allerdings von einer ziemlich großen Katze, größer als jede, die er bisher gesehen hatte. Gespannt folgte er der Spur, sie führte an der Wand entlang bis zur Scheunentür. Eine zweite Spur führte von der Tür zurück in das Scheuneninnere, diesmal am Holzstapel entlang. Die Tatzenabdrücke endeten direkt vor dem leeren Türrahmen.
    Die Stirn gerunzelt, sah Simon sich um: Ringsherum gab es kein Versteck, auch war da kein Mauervorsprung oder Fenstersims, auf den sich die Katze hätte zurückziehen können. Wohin war das Tier verschwunden?
    Noch während er nachdachte, krabbelte eine weitere Spinne aus einer Ritze und zog einen Faden über das Holz des Türrahmens.
    Eine leise Stimme war zu hören, es war seine Mutter, die ihn suchte. Simon zögerte. Noch einmal sah er zurück zu den Spuren. Dann drehte er sich um und verließ die Scheune.

4
    Simon hörte seine Mutter in der Küche leise singen, als er über den Hof ging. Das war ein gutes Zeichen: Hätte sie von seinem heimlichen Besuch in der Scheune gewusst, dann würde sie ihn in der Tür erwarten, schweigend und mit strengem Blick. Auch sein Vater konnte nichts bemerkt haben, sein Wagen war fort, er war aus dem Haus. Tim war ebenfalls nirgendwo zu sehen.
    Erleichtert sprang Simon die Stufen hinauf, die zur Küche führten.
    Als er den großen Raum betrat und seine Mutter sah, stöhnte er leise auf: Sie hatte ihre Haare mit einem Tuch hochgebunden und ihre Ärmel hochgekrempelt, und das bedeutete, dass sie voller Energie steckte und Großes vorhatte. Einen Hausputz zum Beispiel oder Marmelade einkochen, auf jeden Fall würde sie wie immer alle in ihrer Familie mit einplanen. Kein Wunder, dass sich Tim und der Vater verdrückt hatten.
    »Heute räum ich alle Schränke aus und wir waschen das ganze Geschirr ab. Und danach koch ich uns für den Abend was Leckeres. Was hältst du davon?«
    Es war vollkommen egal, was er davon hielt: Wenn seine Mutter sich etwas vorgenommen hatte, dann zog sie es durch.Also sparte Simon sich die Antwort und verzog nur genervt das Gesicht.
    »Du gehst einkaufen«, fuhr sie fort. »Die Liste liegt auf dem Tisch.«
    »Muss das sein?« Simon hasste es, wenn sie über ihn bestimmte.
    Seine Mutter lächelte. »Du kannst auch abwaschen, wenn dir das lieber ist.«
    Simon fand, dass das keine wirkliche Alternative war, und so nahm er sich die Einkaufsliste und die Geldbörse, stopfte beides in einen Rucksack und verzog sich eilig, bevor er noch weitere Aufgaben aufgedrückt bekam.
    Schlecht gelaunt ging er die Auffahrt hinab. Lieber wäre er hiergeblieben, um im Garten nach weiteren Spuren zu suchen. Doch zum einen konnte er das seiner Mutter nicht sagen, und zum anderen hatte es keinen Sinn, in diesen Momenten mit ihr zu diskutieren. Er hatte es oft genug erlebt: Am Ende passierte genau das, was sie wollte. Selbst sein Vater kam nicht dagegen an.
    Simon erreichte das Ende der Auffahrt und trat durch das alte, schmiedeeiserne Tor. Es stand offen, so wie immer, die Scharniere waren festgerostet. Ein Eichhörnchen huschte über die bröckelnde Mauer.
    Der Schritt hinaus auf die Straße war wie der Schritt in eine andere Welt, Simon spürte es fast körperlich. Das Haus des Großvaters war ihm vertraut, ebenso der Garten mit seinen Olivenbäumen und den duftenden Oleanderbüschen. Selbst die alte Scheune gehörte irgendwie dazu. Doch auf der anderen Seite des Tores fühlte er sich fremd. Zwar kannte er die Umgebung: Früher, wenn sie den Großvater besucht hatten, war Simon häufig mit Tim über die Wiesen und durch die Olivenhaine gestrichen, oder sie hatten die Baustellen erkundet, die in den letzten Jahren ringsherum entstanden waren und die nun wie Wunden in der Landschaft klafften. Aber das war in den Ferien gewesen, ein Abenteuer in einem fremden Land.

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