Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt
Männer beachteten seine Rufe nicht. Sekunden später schloss sich das Tor hinter ihnen.
Simon war erleichtert. Er blickte zu Ashakida und lächelte. »Das war knapp.«
Die Leopardin erwiderte stumm seinen Blick.
Dann brach sie zusammen.
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12
Die Sonne stand hoch am Himmel, als Simon endlich die Küste erreichte. Das Meer glitzerte, als hätte jemand Edelsteine in die Bucht geworfen, das Sonnenlicht brach sich funkelnd in Tausenden kleinen Wellen. Simon beachtete das Schauspiel nicht. Erschöpft von dem langen Weg, ließ er den Karren mit dem regungslosen Körper der Leopardin an der Uferstraße stehen und rannte durch den glühenden Sand hinunter zum Ufer, wo er aus seinen Händen eine Schale formte und sie in das Meer tauchte. Dann eilte er zurück zu Ashakida und ließ kühles Meerwasser über ihr Gesicht laufen. Er lief ein paarmal hin und her, bis er kurzerhand seinen Pulli auszog, um ihn in die Brandung zu tauchen und vollgesogen hinauf zur Straße zu bringen. Besorgt rieb er das Fell der Leopardin mit dem nassen Stoff ab.
Er hätte es wissen müssen. Es war anstrengend für sie, die Zeit anzuhalten – jedes Mal, wenn sie den Zeitenlauf gestoppt hatte, war sie anschließend dünner gewesen. Simon ärgerte sich, dass er seinen Rucksack nicht bei sich hatte. Sein Großvater hatte eine Kräutermischung für Ashakida zurückgelassen, genau für diesen Augenblick. Doch der Rucksack war im Dorf, und so konnte Simon nur den Körper der Leopardin kühlen und hoffen, dass ihr das helfen würde.
Nach einer Weile begann sie sich zu regen. Sie jaulte leise und öffnete die Augen. »Wo hast du mich hingebracht?«
»Nicht reden …« Simon legte beruhigend seine Hand auf ihren Körper und beschattete mit der anderen ihre Augen, um sie vor dem Sonnenlicht zu schützen. Dann erzählte er ihr, wo sie waren und was geschehen war.
Nachdem Ashakida zusammengebrochen war, hatte Simon versucht, sie ins Dorf zu bringen. Doch schon nach wenigen Metern hatte er erkannt, dass er es nicht schaffen würde, die Leopardin den ganzen Weg zurück zu tragen. Sie war zu schwer für ihn. Schließlich hatte er sie mit einem Handkarren, den er in der verfallenen Großmarkthalle entdeckt hatte, durch die verlassene Vorstadt gezogen. Der Weg durch die menschenleeren Straßen war unheimlich gewesen. Anders als die Erwachsenen es Ira und ihren Freunden erzählt hatten, waren die Häuser nicht zerstört. Vielmehr sahen sie so aus, als wären ihre Bewohner nur kurz fortgegangen. Alles wirkte eigenartig altmodisch, wie aus einer anderen Zeit. Am auffälligsten waren die Autos, die an den Straßenrändern standen. Manche waren klein, andere hingegen lang gestreckt und mit seltsamen Heckflossen an den Kotflügeln. Simon hatte solche Straßenkreuzer schon einmal in einem Museum gesehen. Nach einigen Stunden Fußmarsch hatte er schließlich den Strand erreicht. Simon war froh, endlich den heißen Körper der Leopardin kühlen zu können.
Ashakida fauchte leise, sie schien Schmerzen zu haben. Ein Zittern ging durch ihren Körper. Sie öffnete die Augen und richtete sich auf.
»Nein, nicht! Bleib liegen!« Behutsam drückte Simon die Leopardin zurück auf den Karren. Zu seiner Überraschung schnappte Ashakida mit den Zähnen nach seiner Hand, ohne zuzubeißen. Doch es reichte, dass Simon zurückzuckte. »Was soll das?«
»Wir gehen zurück ins Dorf. Es ist zu gefährlich hier.« Die Leopardin erhob sich mühsam und kletterte von dem Karren.
»Aber hier ist niemand! Du musst dich ausruhen.«
Ashakida fauchte ungehalten. »Ich muss auf dich aufpassen.«
Simon merkte, wie er ärgerlich wurde. Er hasste es, wie ein Kind behandelt zu werden. »Das kann ich selber! Ich komme gut alleine klar.«
Die Leopardin lachte auf. »Das habe ich gesehen. Wäre ich nicht gekommen, hätten dich die Soldaten geschnappt und in die Stadt gebracht!«
»Wärst du heute Morgen nicht verschwunden, hätten die Dorfbewohner mich überhaupt nicht in das Auto sperren können.«
Ashakida knurrte wütend. »Ich habe die Gegend erkundet. Schon vergessen? Wir sind hier in Drhans Welt.«
»Ja, und? Ich wär niemals hierhergekommen, wenn du mich nicht gedrängt hättest!«
»Glaubst du, ich bin freiwillig hier?« Ashakidas Zähne blitzten auf. Sie war streitlustig wie Simon. »Drhan hätte dich getötet, wenn wir nicht hierhergekommen wären. Und wessen Schuld war das? Deine! Du hast deine Welt zerstört, nicht ich.«
Der Vorwurf der Leopardin traf Simon wie ein
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