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Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt

Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt

Titel: Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Stromiedel
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Männer hatten ihn nicht bemerkt.
    Simon wartete einen Augenblick, dann linste er vorsichtig hinter der Leitplanke hervor. Gerade blickte der Soldat in die Transportbox des Geländewagens. Er sah ärgerlich aus und glaubte, verspottet zu werden. Auch der Hüne war verwirrt. Aufgeregt redete er auf den Soldaten ein. Der Uniformierte hörte ihm nicht zu. Er griff nach dem Arm des Hünen und führte ihn durch das Tor in das Innere der Stadt. Ein leises Summen ertönte, als sich das Tor schloss. Es war, als ergieße sich ein Wasserfall über die Öffnung. Wenig später wirkte die Mauer wie unberührt.
    Simon blieb eine Weile in seinem Versteck, bevor er sich aus der Deckung wagte. Er kletterte unter der Leitplanke hindurch und verharrte auf der sandbedeckten Fahrbahn, jederzeit zur Flucht bereit. Es blieb still bis auf das Säuseln des Windes und das leise Knacken des Geländewagens, dessen Motor abkühlte.
    Was sollte er nun tun? Fliehen, das war Simons erster Gedanke. Doch etwas hielt ihn zurück: die Stadtmauer. Ihr Anblick beherrschte alles – Simon hatte das Gefühl, als würde sie ihn anziehen. Die Mauer war so hoch, dass die umliegenden Häuser klein wirkten. Die Sonnenstrahlen, die auf ihrer Oberfläche gebrochen wurden, ließen die umliegenden Ruinen funkeln. Noch niemals zuvor hatte Simon so etwas gesehen.
    Langsam ging er auf die Stadtmauer zu. Jetzt, da er sich ihr näherte, wirkte die Wand noch größer und höher. Es kam ihm vor, als habe ihr Erbauer keine Rücksicht auf die Menschen genommen, die hier gelebt hatten. Das Bauwerk kreuzte Straßen und Plätze und durchschnitt sogar Häuser, als habe jemand mit einem riesigen Messer eine Linie gezogen und die Mauer in den Spalt hineingestellt.
    Eine Armlänge vor der Wand entfernt blieb Simon stehen. Sie schien aus Metall zu sein, doch als er genau hinsah, kam es ihm vor, als würde sich die Oberfläche leicht bewegen, so als ob sie flüssig sei. Sein Magen kribbelte, und er spürte die Kälte, die von der matt glänzenden Fläche herabfiel. Genau so hatte es sich angefühlt, als er das erste Mal vor dem Tower gestanden hatte. Langsam hob er seine Hand. Doch er zwang sich, die Fläche nicht zu berühren. Er musste daran zurückdenken, wie er die goldene Oberfläche des Towers angefasst hatte: Ein Tor hatte sich geöffnet und die Soldaten hatten sich auf ihn gestürzt. Besser, er verdrückte sich, bevor er Drhans Männer auf sich aufmerksam machte.
    Plötzlich liefen feine Wellen über die Stadtmauer, der Abschnitt direkt vor ihm pulsierte. Simon wich zurück. Nun erinnerte ihn die Wand an einen See, in den jemand Steine geworfen hatte und dessen eben noch glatte Oberfläche unruhig zitterte. Ein Summen ertönte. Die Wellen ordneten sich zu einem Rechteck, groß wie ein Fußballtor. Muster peitschten über die Fläche, das Rechteck floss auseinander und wurde immer dünner, bis es sich mit einem leisen Zischen auflöste.
    Ein Tor öffnete sich.

[zurück]
11
    Simon stand wie erstarrt. Der Anblick des sich öffnenden Tores war so beeindruckend, dass er fast die Gefahr vergaß, in der er schwebte. Im letzten Moment, die Wand löste sich gerade auf, rannte er zur Seite und verbarg sich direkt neben der Öffnung. Noch konnte ihn niemand sehen. Doch sobald jemand durch das Tor trat, würde er entdeckt werden.
    Eilig sah er sich um, während er sorgsam darauf achtete, die Mauer nicht zu berühren. Nirgendwo entdeckte er ein Versteck: Die Leitplanke, hinter der er vorhin gehockt hatte, befand sich auf der anderen Seite der Toröffnung. Auf dieser Seite grenzte die Autobahn an die fensterlose Brandmauer eines Hauses, die Leitplanke war direkt an den Stein geschraubt. Es blieb nur der Geländewagen, der vor dem Tor stand. Doch das war der letzte Ort, an dem sich Simon verbergen wollte.
    Aus der Stadt waren Stimmen zu hören.
    Simons Herz raste. Er musste etwas tun – hier zu warten hieße, mit absoluter Sicherheit entdeckt zu werden!
    Die Nachricht, die sein Großvater an der Blechhaut des Wagens für ihn hinterlassen hatte, schoss Simon durch den Kopf. Niemand hatte die Schrift entdeckt, weil sein Großvater sie getarnt hatte.
    Er musste sich tarnen, das war seine einzige Chance!
    Die Stimmen wurden lauter, dann hörte er Schritte, jemand näherte sich dem Tor.
    Simon ließ sich auf den Boden fallen. So leise er konnte, wälzte er sich in dem staubfeinen Sand, den der Wind an der Stadtmauer zusammengeweht hatte. Momente später war seine Kleidung sandgrau. Auch seine

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