Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt
wollte, doch Ashakida fauchte leise und sprang auf. Jetzt reagierten auch die anderen, alle machten sich bereit.
Vorsichtig schob Simon seinen Kopf wieder über den Grabenrand. Der Fahrer des ersten Wagens kämpfte noch immer mit dem Getriebe, die Zahnräder griffen nicht ineinander und knirschten fürchterlich. Die Soldaten vom Kontrollpunkt hatten inzwischen das Fahrerhaus und den Unterboden des zweiten Lastwagens inspiziert, gerade gingen sie mit dem Fahrer zum Heck, um die Ladefläche zu untersuchen. Mit ihren Taschenlampen verschwanden sie im Inneren des Fahrzeugs.
Jetzt!
Auf das Zeichen von Simon kletterten sie nacheinander aus dem Graben und liefen über die Straße, Ira als Erste, dann folgten Luc, Filippo und Tomas. Simon hastete gemeinsam mit Ashakida als Letzter über den Fahrweg und duckte sich wie die anderen in den Schatten zwischen den Lastwagen.
Niemand hatte sie bemerkt.
So schnell er konnte, kletterte Simon an der Rückwand des Transporters hinauf und schlug die Plane ein Stück zurück. Er kroch auf die Ladefläche und warf seinen Rucksack ab, dann half er den anderen. Luc, der nicht groß genug war, um alleine hochzuklettern, wurde von Tomas und Filippo hinaufgezogen, nachdem er ihnen seine Tasche gereicht hatte. Zuletzt sprang Ashakida mit einem Satz über die Ladeklappe. Simon zerrte die Plane zurück über die Öffnung und kauerte sich zu den anderen unter die Abdeckung. Jetzt musste der Wagen nur noch losfahren.
Doch nichts geschah.
Ein Lastwagen rollte draußen vorbei, dann der nächste, dann wieder einer. Die Fahrzeugkolonne, mit der die Soldaten in das Dorf gebracht worden waren, fuhr zurück in die Stadt. Nur der Wagen, in dem sie sich versteckten, blieb stehen. Dem Fahrer gelang es nicht, ihn in Gang zu setzen.
Simon stand der Schweiß auf der Stirn. Auch die anderen waren nervös. Filippo biss sich so fest auf seine Lippen, dass schon etwas Blut kam.
Noch einmal heulte der Motor auf, diesmal lauter als zuvor, der Soldat trat das Gaspedal mit aller Kraft durch. In das Jaulen hinein krachte plötzlich das Getriebe. Es knallte laut, und mit einem Satz sprang der Lastwagen nach vorne. Ira stöhnte auf, als sie mit dem Kopf gegen die Ladeklappe prallte. Auch die anderen wurden gegen die Wände der Ladefläche geschleudert. Doch niemand achtete auf den Schmerz, nur eines war wichtig: Der Wagen fuhr!
Rumpelnd passierten sie den Checkpoint, dann gelang es dem Soldaten im Fahrerhaus, den nächsten Gang einzulegen. Die Fahrt wurde etwas ruhiger. Ihre Flucht aus dem Dorf war geglückt! Simon hätte laut jubeln können!
Nach einer Weile hob er die Plane ein Stückchen hoch, um durch den Schlitz zurück zum Dorf zu blicken. Ira schob sich neben ihn und linste so wie er unter der Abdeckung hervor.
Was sie sahen, ließ sie erstarren. Überall im Ort flackerten Feuer auf, Straßenzug für Straßenzug entzündeten die Soldaten die Häuser. Der Wind heizte die Flammen an, bis die ersten Ruinen lichterloh brannten. Eine Feuerwand bildete sich, Stück für Stück fraß sie sich weiter. Es war das zweite Mal, dass im Dorf ein Feuer wütete, doch diesmal sorgten die Soldaten dafür, dass auch die Gewölbekeller ausbrannten, einer nach dem anderen.
Ira sagte kein Wort. Schweigend sah sie zu, wie ihre Heimat in Flammen aufging. Tröstend legte Simon einen Arm um sie. Er wusste, wie sie sich fühlte, und er wusste auch, dass es keinen Trost gab. Nach einer Weile legte Ira den Kopf an seine Schulter. Sie hatte Tränen in den Augen. Doch sie wandte den Blick nicht ab, so als wolle sie das Bild in ihre Erinnerung einbrennen, um es nie wieder zu vergessen.
Sie fuhren eine ganze Weile, dann machte die Straße eine Kurve und der Ort verschwand hinter einem Hügel. Nur noch der Feuerschein am Horizont erinnerte an das zerstörerische Werk der Flammen. Ira wandte ihren Blick ab. Simon spürte ihre Trauer, aber auch den Zorn, und dazu ein Gefühl, das er noch nie bei einem Menschen gespürt hatte: den Wunsch nach Rache.
Forschend sah sie ihn an. »Bist du wirklich Salvatore?«
Simon war verblüfft, mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet.
»Meine Oma«, fuhr sie fort, »hat mir letzte Nacht die Legende vom Weltenretter erzählt.«
Simon schluckte. Er kannte die alte Sage von Ashakida.
Ira sah ihn unverwandt an. Ihre Stimme klang fest, als sie weitersprach. »Geh in die Stadt. Vernichte Drhan.« Entschlossen griff sie seine Hand. »Ich werde dich begleiten.«
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22
Ihre Fahrt auf der
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