Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt
die Soldaten auf ihn lauerten, er hatte es erlebt.
Ob sein Großvater dort war? Auch er hatte nach Avaritia fliehen müssen, genau wie Simon. Doch hier im Ruinendorf war er nicht, Simon hatte ihn in den vergangenen Tagen überall gesucht. Er musste ihn finden, egal, wo er war! Denn sein Opa war der Schlüssel zu allem. Simon hoffte, dass er mit dem Wissen des Großvaters wiedergutmachen konnte, was geschehen war. Nur dann konnte er seine Familie und seine Freunde retten. Nur dann konnte er wieder nach Hause.
Er hatte Angst vor dem, was vor ihm lag.
Der Kies oberhalb des Strandes knirschte, Ashakida huschte heran. Simon freute sich, sie zu sehen, auch wenn er fürchtete, dass die Leopardin ärgerlich sein würde, weil er nachts alleine an den Strand gegangen war.
Und tatsächlich, Ashakida sah angespannt aus.
Simon wollte gerade zu einer Entschuldigung ansetzen, als sie ihn mit einem leisen Fauchen unterbrach. Sie sah hinauf zum Dorf, Simon folgte ihrem Blick.
Vier Gestalten schlichen durch die Dunkelheit.
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2
Simon folgte der Leopardin, so leise er konnte, hinauf zum Dorf. Ashakida war ein Stück vorgelaufen, sie wartete auf ihn am Rand des Kiesstreifens, der den Strand von der Uferstraße trennte. Mit ihren leuchtenden Augen deutete sie auf eine Stelle, an der er lautlos den Kies überqueren konnte. Dann schlichen sie gemeinsam in das Gewirr aus Treppen und Gassen, das die Häuserruinen durchzog.
Die vier Gestalten waren im Licht des Mondes gut zu erkennen, sie gingen vor ihnen die Straße hinauf und näherten sich ihrem Nachtlager. Simon konnte das Flackern des Feuers sehen, an dem er und die Leopardin noch vor einer Stunde fest geschlafen hatten. Ashakida neben ihm knurrte leise, ihre Nackenhaare hatten sich aufgestellt. Plötzlich schnupperte sie. Der Wind vom Meer war abgeflaut, seit sie im Windschatten der Häuser gingen, und jetzt nahm Ashakida Witterung auf. Was sie roch, schien sie zu amüsieren. »Komm.« Mit langen Sprüngen lief sie auf die Gestalten zu. Simon folgte ihr.
Die vier fuhren herum, als die Leopardin heransprintete. Simon erkannte nun ebenfalls, wer vor ihnen durch das nächtliche Dorf schlich, und nun war auch er erleichtert: Es waren Ira, Luc, Tomas und Filippo. Die vier trugen nicht nur dieselben Namen wie seine Freunde zu Hause, sondern sie sahen auch genauso aus wie sie. Noch immer verblüffte es Simon, sie hier zu sehen.
Ashakida sprang zwischen die vier Jugendlichen und fauchte freundlich zur Begrüßung. Die drei Jungen wichen unsicher zurück, doch Ira freute sich beim Anblick der Leopardin. Sie streckte sogar ihre Hand aus, um über das Fell der Raubkatze zu streichen. Ashakida ließ es zu.
Simon kam hinzu, ein wenig außer Atem, er hatte vergeblich versucht, mit der Leopardin mitzuhalten. Mit ernstem Blick sahen die vier ihn an.
»Was ist passiert? Warum seid ihr hier?«
Ira antwortete für sie. »Wir suchen dich!«
Simon betrachtete sie nachdenklich. Obwohl er Ira und die anderen erst vor ein paar Tagen kennengelernt hatte, war sie ihm auf eine eigenartige Weise vertraut. Immer wieder musste er sich sagen, dass sie nicht seine Freundin war, seine Ira, die das Weltentor nicht durchgelassen hatte. Denn sie glich der Ira in seiner Welt bis ins Detail. Selbst die winzigen Lachfalten waren dieselben.
»Was starrst du mich so an?« Das Mädchen runzelte die Stirn. »Ist was?«
»Nein, nichts«, log Simon und lenkte eilig ab: »Und warum sucht ihr mich?«
»Weil alle auf den Beinen sind.« Filippo grinste ihn an und seine Stupsnase kräuselte sich. »Großes Powwow in der Markthalle.«
Simon verstand kein Wort.
»Unsere Eltern treffen sich am Versammlungsort«, sagte Tomas.
»Nicht nur unsere Eltern«, ergänzte der kleine Luc und hob den Finger, offenbar nahm er die Dinge sehr genau. »
Alle
Erwachsenen aus dem Dorf treffen sich.«
Filippo lachte frech. »Alle außer Iras Oma. Die sitzt in ihrem Zimmer und kichert.« Er kassierte von Ira einen Nasenstüber für seinen Kommentar, was Filippos Fröhlichkeit nicht minderte.
Simon hatte ihnen erstaunt zugehört. »Aber was hat das alles mit mir zu tun?«
»Kannst du dir das nicht denken?« Filippo sah ihn mit großen Augen an. »Die treffen sich wegen dir!«
»Wegen mir?«
Ira nickte. »Außer uns lebt niemand an der Küste, sagen sie, nur unser Dorf ist bewohnt. Ist doch klar, dass die Erwachsenen nervös werden, wenn ein Fremder auftaucht.«
Ashakida hatte still zugehört. Jetzt legte sie ihren Kopf
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