Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt
fest.
Dann riss das Wasser alles mit sich.
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Simon wusste nicht, wie lange er und sein Großvater durch die Unterwelt schossen, getrieben vom Stundenfluss, der mit dem Fass zu spielen schien und es brüllend und tobend wie einen Ball hin und her warf. Wieder und wieder prallten sie gegen Wände, rammten Pfosten und Kanten, stürzten in die Tiefe und trieben zurück an die Oberfläche des reißenden Flusses. In Simons Erinnerung verschwammen die Minuten ihrer rasenden Fahrt zu einem nicht enden wollenden Wirbel, in dem es kein Oben und kein Unten gab.
Dann wurde es still. Eine Weile noch schaukelte das Fass auf dem Wasser, es pendelte aus, die Bewegungen wurden langsamer, bis ihr Gefährt mit einem Knirschen auf Grund setzte und ruhig dalag.
Benommen bewegte Simon sich. Ihm tat alles weh, doch er schien sich nicht verletzt zu haben. »Opa?« Behutsam tastete er neben sich. Sein Großvater rührte sich nicht.
Simon streckte die Arme aus und schob seine Hände in die Griffmulde. Der Verschluss saß fest. Simon drückte mit aller Kraft, bis sich der Deckel leise schabend im Gewinde drehte und nach einer Weile zu Boden fiel. Wasser plätscherte. Simon schob erst seine Arme und dann seinen Oberkörper aus dem Fass, er zwängte sich aus der Öffnung und ließ sich draußen auf den handbreit mit Wasser bedeckten Boden gleiten. Eine Weile lag er dort und rang nach Luft. Das Wasser sog sich in seine Kleidung. Dann öffnete Simon die Augen und sah sich um.
Sein erster Gedanke war, dass sie sich unter der Erde in einer gewaltigen Höhle befanden. Erschrocken überlegte er, wie weit sie wohl in die Tiefe hinabgespült worden waren. Erst auf den zweiten Blick entdeckte Simon an einer Seite der Höhlenwand die Reste eines U-Bahnhofes, den die Flutwelle zerstört hatte. Das hier, überlegte Simon, musste früher einmal eine Endhaltestelle gewesen sein. Offenbar floss das Wasser des Stundenflusses durch das Tunnelsystem der U-Bahn ungehindert bis hierher und spülte mit stündlicher Wucht die letzte U-Bahn-Station und den dahinterliegenden Wendetunnel zu einer riesigen Höhle aus. Je größer der Hohlraum geworden war, desto schneller verlor hier die Flutwelle ihre Kraft. Gurgelnd versickerte das Wasser in den Spalten und Ritzen, die es sich im Untergrund gesucht hatte.
Simon zog seinen Großvater aus dem Fass und schleppte ihn zu einer etwas erhöhten Stelle. Vorsichtig bettete er den leblosen Körper auf einen aus dem Wasser ragenden Betonvorsprung, danach beugte er sich über das Gesicht des Alten. Der Atem ging langsam, aber sein Großvater war am Leben.
»Opa!« Vorsichtig rüttelte er ihn. Keine Reaktion. Er versuchte es noch einmal, doch sein Großvater regte sich nicht. Simon zog ihn ein Stück höher auf die Fläche, sodass sein Opa nicht hinab ins Wasser rutschen konnte. Dann sah er sich nach einem Ausgang um.
Eine halb weggespülte Treppe, die auf der anderen Seite der Höhle hinauf in eine Öffnung führte, schien vielversprechend zu sein. Der Weg dahin war beschwerlich, überall lagen Trümmer und Treibgut. Simon kämpfte sich voran, bis er endlich die Stufen erreichte.
Der Durchlass oberhalb der Treppe war schmaler, als Simon gedacht hatte. Er atmete aus und schob seinen Körper durch den Spalt. Auf der anderen Seite öffnete sich ein Hohlraum mit glatten Wänden, es war ein Treppenhaus, durch das Stufen nach oben führten.
Simon tastete sich hinauf in die Dunkelheit, bis sein Weg an einer glatten und kalten Wand endete. Sie klang hohl, als er gegen sie schlug. Seine Fingerspitzen ertasteten eine Klinke, er stand vor einer Tür. Simon legte seine Hand auf den Griff und versuchte, ihn runterzudrücken, doch er war festgerostet und bewegte sich nicht.
Leise klickerten die Schuppenglieder des Handschuhs. Simon sah, dass der Handrücken blau aufglomm.
Ob der Handschuh ihm helfen konnte, die Tür zu öffnen?
Doch Simon zögerte, die Kraft einzusetzen: Was, wenn die Tür genauso verschwand wie vorhin das Fass?
Die Erinnerung an die zurückliegenden Ereignisse traf ihn mit voller Wucht. Ihm wurde schlecht, und er spürte, wie der Kloß in seinem Hals immer größer wurde. War es seine Schuld, dass Ashakida zurückbleiben musste? Hatte er nicht das Fass verschwinden lassen, in dem Ashakida hätte entkommen können?
Doch Simon wusste, dass er keine Schuld hatte. Die Zeit bis zum Aufprall der Wasserwand hätte niemals gereicht, um beide Fässer zu öffnen und zu verschließen. Auch Ashakida hatte das
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