Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt
gesenktem Kopf hockte sein Großvater auf einem Metallstuhl, der auf einem Podest festgeschraubt war. Seine Arme und Beine waren gefesselt, Gurte um seinen Brustkorb verhinderten, dass sein Körper vornüberkippte und vom Stundenfluss fortgespült wurde. Die Wucht des Wassers hatte seine Kleidung zerfetzt und seine Haut geschunden. Nur die Schultern und der Kopf waren trocken und unverletzt.
Erneut jaulte Ashakida auf: Sie war genauso entsetzt wie Simon.
Simon kletterte auf das Podest und beugte sich über die reglose Gestalt. Kurz fürchtete er, dass sein Großvater nicht mehr lebte. Doch dann sah er erleichtert, dass sich der Brustkorb des alten Mannes hob und senkte, wenn auch sehr schwach.
Behutsam rüttelte Simon den abgemagerten Oberkörper. »Opa, hörst du mich?«
Ein Stöhnen löste sich aus dem Brustkorb des Alten. Simon schüttelte ihn noch einmal, diesmal eindringlicher. Langsam öffnete sein Großvater die Augen. Sein Gesicht verzog sich überrascht, als er Simon sah. Er schien entsetzt zu sein, dass sein Enkel hier war.
»Opa, ich bin’s!«
»Simon …«
»Ashakida ist auch hier. Wir holen dich hier raus.« Simon machte sich daran, die Fesseln zu lösen.
»Simon …« Die Stimme seines Großvaters war schwach.
»Gleich, Opa, wir müssen uns beeilen!« Er löste eine der Fußfesseln, Ashakida half ihm, indem sie mit den Zähnen die Brustgurte zerbiss. Simon löste auch die zweite Fußfessel und wandte sich den Handfesseln zu, um sie zu öffnen. Dann griff er nach dem Arm seines Großvaters, um ihn hochzuziehen. »Komm!«
Sein Opa wehrte ihn ab. »Simon, hör mir zu.« Die Stimme war brüchig, doch Simon spürte die Kraft, die immer noch in dem alten Mann steckte. »Du musst fliehen! Geh weg! Lass mich hier.«
Simon schüttelte den Kopf. »Nein. Wir gehen zusammen. Ich bring dich hier raus.«
»Es ist eine Falle, Simon!« Die Finger des Alten krallten sich in seinen Arm. »Sie wollten, dass du mich findest. Du bist das Ziel, Simon, es dreht sich nur um dich! Ich bin der Köder, der dich anlocken sollte.«
Überrascht starrte Simon seinen Großvater an.
Im gleichen Moment klirrte Glas, sehr leise, sehr weit entfernt. Simon horchte auf. Kurz glaubte er, sich getäuscht zu haben, doch auch Ashakida spitzte die Ohren. Dann vernahmen sie einen Schrei, kaum zu hören, nicht mehr als eine Ahnung. Der Schrei kam aus dem Stundentunnel. Simon fuhr herum. So leise die Stimme auch war, er erkannte sie sofort: Es war die von Ira. Verzweifelt rief sie um Hilfe.
Hilflos sah Simon zu Ashakida. Was sollten sie tun? Ira brauchte sie! Doch sein Opa war ohne ihn und Ashakida ebenfalls verloren!
Die Leopardin knurrte, sie spürte Simons Not. Doch auch sie wusste nicht, was sie jetzt tun sollten.
»Du musst fort von hier, Simon!« Eindringlich sah sein Großvater ihn an. »Rette dich! Sonst ist alles verloren.« Er wies auf den Ring an Simons Finger. »Du bist jetzt der Torwächter. Ich bin nicht mehr wichtig. Also geh!«
Simon wehrte sich gegen die Worte seines Großvaters. Wie konnte sein Opa verlangen, dass sie ihn hier zurückließen? Verzweifelt tastete er nach dem Ring, den er von seinem Vater bekommen hatte.
Da kam ihm ein Gedanke. »Ein Weltentor!« Simon blickte den Ring an, der Stein war matt und dunkel. »Wir brauchen ein Weltentor! Dann können wir fliehen!« Doch Ira, schoss es ihm durch den Kopf, konnte er mit einem Weltentor nicht in Sicherheit bringen.
Sein Großvater schüttelte müde den Kopf. »Hier gibt es kein Weltentor.«
Ashakida knurrte. »Simon hat recht, Alexandre. Wir müssen eins finden!« Bittend sah sie den alten Mann an. »Wo ist das nächste Tor?«
Simons Großvater verzog angestrengt das Gesicht, das Denken fiel ihm schwer. »Es gibt ein naturhistorisches Museum, draußen in der Vorstadt …«
»Mit vielen ausgestopften Tieren?«, fragte Simon gespannt.
Sein Großvater nickte. »Aber das ist zu weit. Das schaffst du nicht. Und ich schon gar nicht.« Er bäumte sich auf und ballte seine Faust. »Verflixt noch mal, jetzt hör auf mich! Geh endlich!« Er wandte sich der Leopardin zu. »Ashakida, das ist ein Befehl!«
Die Leopardin sah den alten Mann bestürzt an, kraftvoll saß er auf seinem Stuhl und blickte zu ihnen. Momente später sank er wieder in sich zusammen.
»Was sollen wir jetzt tun?« Simon war verzweifelt.
»Wir tun, was er sagt.« Ashakidas Stimme zitterte, es fiel ihr schwer, die Worte auszusprechen. Sie schien den Großvater sehr zu mögen.
Einen
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