Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
ihrem Gesicht ablas, dass es danach erst richtig schlimm geworden war.
»Ich hatte mir keinen Ersatzplan für den Fall ausgedacht, dass der Bayer etwas anderes ist als ein gewöhnlicher Urlauber und dies obendrein im Hotel noch bekannt ist«, fuhr Ose mühsam fort, »deshalb erklärte ich Gerrit, dass der Bayer eine bestimmte Pflanze gesucht hätte und ich sie ihm jetzt zeigen könnte … Na ja.« Sie zuckte mit den Schultern.
»Und dann?«
»Gerrit brach in ein Gelächter aus, das durch die ganze Halle ging, bevor er sich wieder einfing. ›Der doch nicht!‹, quiekte er heraus, ›der hat sich nur für Mode und Männer interessiert. Ich glaube nicht, dass der jemals aus Westerland hinausgekommen ist.‹«
»Und damit war deine Suche am Ende.«
»Ja. Adressen gäben sie nie heraus, das seien sie ihren Gästen schuldig, erklärte Gerrit und fragte mich anschließend, ob ich die Schwingtür ohne Hilfe aufbekäme.«
»Ein ziemlich schnoddriger Concierge.«
»Ja. Aber bitte schreite du nicht jetzt meinetwegen ein.«
Asmus schüttelte den Kopf. »Leider geht das sowieso nicht. Ich bin nicht autorisiert, nach Cord und seinem Bekannten zu suchen. Um Namen illegaler Bauherren herauszufinden, wäre der Weg durch ein paar Ämter wohl schneller. Abgesehen davon, dass Sinkwitz es mir rundheraus abschlagen würde. Es ist sowieso wichtiger, den Mörder oder Totschläger Boy Böhrnsen zu suchen, als nach Namen von Männern, mit denen es sich Sinkwitz nicht verderbenmöchte. Übrigens soll ich den Fuhrunternehmer gefunden haben, bevor der Abgeordnete Bauer Sylt besuchen kommt. Welche Illusion!«
»Sinkwitz pflegt sich nach allen Richtungen abzusichern, das weiß man. Auf diese Weise hält er sich auch als Kommunist unter konservativen Kaufleuten.«
»Ich habe mich auch schon gewundert. Anscheinend versteht er es, geschickt die Bedürfnisse entgegengesetzter Gruppierungen zu bedienen.«
»Offensichtlich. Etwas ganz anderes, Asmus. Mir ist noch eingefallen, dass ich einmal von Böhrnsens Verwandtschaft auf der Hallig Langeneß sprechen hörte. Vielleicht hat er sich ja dort verkrochen. Und jetzt muss ich nach Haus.« Ose stand so unvermittelt auf, dass die Franziska schwankte. »Vielleicht begleitet mich ja wieder Jörn.«
»Kommt nicht in Frage, das werde ich tun!«
Ose wagte keinen Widerspruch.
Asmus verfolgte noch ein weiteres Ziel, außer dass er Ose sicher zu Hause wissen wollte. Im Cockpit der Franziska hatte er sich so hingesetzt, dass er den Hafen überblicken konnte und eben auch das Fährgebäude. Jörn Frees war herausgekommen, als sie ihre Becher noch nicht halb leergetrunken hatten, und hatte sich augenscheinlich auf den Heimweg gemacht.
Selbst wenn dieser Jörn in Bahnsens Augen als dumm galt, konnte es gut sein, dass er etwas von den Vorgängen am Ufer bemerkt hatte. Asmus würde sich gerne einmal mit ihm unterhalten. An diesem Abend war daran natürlich nicht zu denken.
Stattdessen legte er sich selber auf die Lauer. Er suchte sich mit Umsicht eine Stelle, von der aus er das Ufer beobachten konnte, er selbst aber unsichtbar blieb. Am besten geeignet waren Priele im Klentertal, die häufig nicht tiefer waren als ein darin liegender Mann. Zwar waren sie trotz der viele Regentage nicht mit Wasser gefüllt, aber der Schlick war nass. Asmus’ Kleidung war nach kurzer Zeit durchweicht.
Die Ellenbogen auf dem Gras am Prielrand abgestützt,suchte er mit dem Fernglas das Ufer ab. Der Sandstreifen lag leer vor dem Watt, in dem Austernfischer und aus welchem Grund auch immer nicht abgeflogene Ringelgänse nach Futter suchten. Gelegentlich erreichte ein Schnattern der zufriedenen Gänse Asmus’ Ohren, der Wind strich hörbar durch die Gräser, aber darüber hinaus gab es keine fremden Geräusche. Jäger waren am Ufer noch nicht unterwegs, da die jagdbaren Vögel, die das Watt ab Oktober bevölkern würden, sich noch nicht sammelten.
Asmus hielt geduldig aus, bis es stockdunkel geworden war, jetzt im August doch schon beträchtlich früher als im Juni und Juli. Etwas unzufrieden wanderte er zu seinem Boot zurück. Er konnte sich weiterhin keinen Reim auf die geheimnisvollen Vorgänge an diesem Ufer machen.
Am nächsten Morgen erwachte Asmus von ungewohntem Klappern und undefinierbaren Geräuschen im Hafen. Er fuhr in die Höhe. Verschlafen!
Als er aus dem Luk seines Bootes schaute, sah er, wie Jörn Frees aus einer Jolle heraus zwei schwere Blecheimer auf den Fähranleger hochwuchtete.
Aha. Offensichtlich
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