Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
Vom Netzwerk:
war.
    Dahinter marschierten in strammem Schritt die wichtigsten Männer von Sylt: Bürgermeister Müller, der Kurdirektor, die Direktoren der großen Hotels und die maßgeblichen Kaufleute. Und Rörd Jacobsen. Er ragte über die meistenanderen empor. Im Übrigen mischte sich auch allerhand Volk unter die Menge, das Asmus unbekannt war. Die in Kampen lebenden Künstler beteiligten sich offenbar nicht; an ihren Phantasiegewändern und mitunter langen Haaren wären sie leicht zu erkennen gewesen.
    Der im Auto stehende Abgeordnete Bauer verneigte sich steif abwechselnd nach rechts und links und lupfte immer wieder seinen pechschwarzen Zylinderhut, auch in Richtung der Obergeschosse der Häuser, an deren Fenstern sich die Zuschauer drängten. Matthiesen und Asmus folgten seinem Wagen in angemessenem Tempo und hatten an ihrer jeweiligen Straßenseite potentiell boshafte Möwen und aggressive Kommunisten im Auge.
    Feinde jeglicher Sorte waren jedoch nicht zu erkennen.
    An der Einfahrt zum Hotel wurde das gemeine Volk zurückgehalten. Das Gedränge löste sich auf, und es gab etwas Luft.
    »Gehört dieses Auto dem Abgeordneten?«, erkundigte sich Asmus leise bei Matthiesen.
    »Der Horch?«, fragte Matthiesen erstaunt zurück. »Nein, das ist der Jagdwagen von Rörd Jacobsen.«
    »Aha«, murmelte Asmus verblüfft. Und doch fuhr Jacobsen weder im Auto mit, noch hielt er sich dicht daneben. Ein Zeichen von Bescheidenheit? Wollte er allein dem Abgeordneten die Begeisterungsstürme zukommen lassen? »Was hältst du von ihm?«
    »Von Jacobsen?«
    Asmus nickte.
    »Er hat einen guten Leumund«, sagte Matthiesen zögerlich.
    »Aber?«
    »Man weiß nicht sehr viel über sein Leben. Man könnte denken, er versteckt sich da draußen in seiner Villa. Er soll viele Kontakte auf dem Festland haben.«
    »Aha.« Asmus war nicht schlauer geworden. Ohnehin hatten sie jetzt keine Zeit mehr für ein Gespräch.
    Der Jagdwagen rollte vor dem Eingangsportal des Sylter Hofs aus. Während der Abgeordnete unter großem Pomp begrüßt und ins Haus geleitet wurde, rannten Asmus undMatthiesen hintenherum in den Keller, wo sie ihre Anzüge bereitgelegt hatten.
    Matthiesen trug zur dunklen Hose ein dezentes schwarzes Jackett, während Asmus formvollendet im kleinen Gesellschaftsanzug auftrat, so wie es Sinkwitz angeordnet hatte.
    Bauer war nach dem Eintragen ins Gästebuch erst bis zur Saaltür gelangt, als die beiden Polizisten auch schon oben waren und sich wenige Schritte hinter ihm mit dem geflüsterten Erkennungswort Einlass verschafften.
    Im Bankettsaal waren viele runde Vierer- und Sechsertische weiß eingedeckt. Während Asmus und Matthiesen sich unauffällig in der Nähe des Rednerpults ihre Stehplätze an der Fensterseite suchten, wo auch schon mehrere andere Herren standen, die offensichtlich zur Begleitung des Politikers gehörten, aber nicht geladen waren, füllte sich der Raum.
    Noch schwatzten die Gäste unbekümmert und laut miteinander und fanden sich zu Gruppen zusammen, während sie sich an den Tabletts der sich geschäftig durchschlängelnden Kellner mit gefüllten Gläsern bedienten. Schließlich suchten sich die meisten ihren Platz.
    Endlich saßen alle, aber noch summte der Saal von gegenseitiger Vorstellung und ersten Sachgesprächen.
    Matthiesen beugte sich bedächtig zu Asmus hinüber. »Hier kannst du sehen, wer auf Sylt was darstellt«, flüsterte er. »Wer nicht da ist, hat keinen Einfluss.«
    »Ich sehe Rörd Jacobsen, aber Bonde Sibbersen nicht. Ich denke, er ist einer der Wichtigen in Westerland.«
    »Er ist einer der reichsten Kaufleute«, verbesserte Lorns. »Das ist etwas anderes. Ich schätze, er bleibt aus Protest fern, und das kann er sich leisten. Er spendet an viele Vereine und betätigt sich gemeinnützig.«
    »Wogegen protestiert er denn?«
    »Gegen all das, was sich die Geldgierigen vom Damm erhoffen. Er ist redlich genug, um anzuerkennen, dass ganze Berufsgruppen zu recht in Angst vor dem Damm leben.«
    Das alles hatte Sibbersen Asmus nicht erzählt, wahrscheinlich aus Bescheidenheit nicht. Während der Bürgermeister Müller – derselbe, der die Versammlung der DNVPgeleitet hatte – Grußworte abspulte, hatte Asmus Zeit, die Gesichter zu studieren, die er aufgrund seiner Bewacherposition gut im Auge hatte. Inzwischen kannte er viele vom Sehen, die meisten augenscheinlich Kaufleute. Aber auch Dr. Katzenstein, der Kurarzt, war da. Er saß neben Mausi Böhrnsen, die wahrscheinlich die Einladung ihres Vaters

Weitere Kostenlose Bücher