Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
vom Fährhaus aus kann Frees telefonieren. Aber mit wem? Ich kann nicht glauben, dass mehr als diese fünf ungesetzlich handeln würden.«
»Ich auch nicht«, stimmte Bahnsen zu. »Ich vermute dahinter eine Handvoll sehr entschlossener Sylter, die ihre Macht über die Insel davonschwimmen sehen, wenn sie sie nicht mit allen Mitteln verteidigen. Oder sogar ein Einziger. Jedenfalls ist Böhrnsen ein wichtiger Bestandteil dieser Brut, weil er zur Tat schreitet, wenn es notwendig ist. Die anderen können sich dann hinter ihren Erwägungen verstecken.«
»Man muss bedenken, dass mit dem Damm nicht nur das Geld von Investoren fließen wird, sondern auch Geschäftsleutekommen werden, die sich hier niederlassen wollen. Die Clique, die du Brut nennst, sorgt sich ganz offenbar um ihre eigene Zukunft. Sie möchten die Vorteile des Damms, ohne die Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, sprich Konkurrenz. Aber wenn schon Konkurrenz, dann klären die hiesigen Platzhirsche jetzt bereits die Fronten.«
»So könnte man es sich vorstellen. Übrigens intrigiert Mausi Böhrnsen gerne und besitzt Überzeugungskraft. Es ist denkbar, dass sie es schaffte, den spontanen Aufruhr zu organisieren, als ihr Vater das erste Mal im Gewahrsam saß. Aber inzwischen weiß ganz Sylt, dass die Polizei durchgreift, seitdem du hier bist. Deswegen glaube ich nicht, dass Mausi bei der neuen Befreiung ihres Vaters die Finger im Spiel hat. Da denke ich an höhere Kräfte.«
»An die Brut«, ergänzte Asmus, und Bahnsen nickte.
Am nächsten Tag kam Ose zu Asmus’ Boot, noch bevor er seinen Dienst angetreten hatte. Sie hielt ihm das druckfrische Exemplar der Sylter Rundschau hin.
»Ich habe sie nur überflogen«, sagte Ose. »Aber sieh mal, was ich hier Wichtiges entdeckt habe. Unter den Anzeigen.«
Asmus las laut:
»Wer es bisher noch nicht wusste:
Ja, mein Sohn Cord hat die Neigungen eines Urnings,
er ist nicht der Einzige auf Sylt,
aber der Einzige, der sich dazu bekennt.
Sollten mir noch mehr anonyme Droh- und Schmähbriefe wegen Cord zugehen, werde ich nicht davor zurückschrecken, weitere Sylter Urninge öffentlich zu machen. Verwandte und Bekannte werden sich schämen …
Du liebe Zeit!« Asmus starrte auf die Zeilen und sah vor Entsetzen nur noch Druckerschwärze.
»Ja, genau. Was auch immer er dir von Cord erzählt hat: Er muss sehr verzweifelt sein.«
»Das war er«, bestätigte Asmus nachdenklich. »Diese Anzeige bestätigt es. Er beginnt um sich zu schlagen. Ich hätte ihm von solch einer Dummheit abgeraten.«
»Sie hilft ihm nicht?«
»Im Gegenteil. Ob er überhaupt Namen kennt, sei dahingestellt. Aber seine Gegner werden sich zusammenrotten.«
»Muss man ihn nicht warnen?«
»Doch. Heute noch. Ich werde bei ihm vorbeigehen. Weiß ja keiner, warum. Könnte ja eine Rüge seitens der Polizei sein.«
»Ja«, sagte Ose erleichtert. »Bonde ist ein Netter. Ein Kesseltreiben hat er nicht verdient.«
Asmus reichte ihr die Zeitung zurück und machte sich auf den Weg zum Königshafen. Die Sicht war an diesem Tag gut. Hinter dem Ellenbogen lagen die Insel Röm und das Festland im Dunst, die Vögel am Ufer und die Schafe auf der Weide schienen im Einklang mit sich. Und mit den drei ankernden Schiffen in der Bucht war auch Asmus zufrieden. Einfache Fischer. Die Schmuggler hatten sich offenbar andere Routen gesucht. Im Schlechten Hafen lagen nur Lister Boote.
Als er die Alte Dorfstraße entlangknatterte, kam ihm die Frau, die ihm Auskunft gegeben hatte, entgegen. Sie hob ihren Stock und winkte ihm damit emphatisch zu. Und Asmus winkte fröhlich zurück.
So war der Dienst leichter zu ertragen. Zwistigkeiten mit den Menschen, mit denen er lebte, verabscheute Asmus, vor allem, wenn sie einen persönlichen Anstrich erhielten. Das brachte ihn sogleich zurück zu seiner nächsten Aufgabe: Sibbersen ins Gewissen reden, damit dieser nicht noch mehr Dummheiten beging.
Jedoch entdeckte Asmus, als er nur eben sein Motorrad im Hof abstellen wollte, in der Wache die jüngste Eintragung in das Tagesjournal: »Bonde Sibbersen, Kaufmann in Westerland, eine Rüge erteilt wegen der heutigen Drohung in der Sylter Rundschau . OWM Alfred Jung.« Dieser stinkfaule Kerl, der sich selten an der ermüdenden Arbeit der Wachtmeister in den Straßen unter nassen oder frostigen Bedingungen beteiligte, witterte karrierefördernde Unternehmungen wie die Maus den Käse! Ein vom Chef geduldetes schäbiges Verhalten. Mit charakterlosen Männern wieJung und Sinkwitz war
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