Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
man leider nie, auf welcher Seite jemand steht …«
»Auf jeden Fall auf Seite der Sylter! Das wissen Fremde nur nicht zu würdigen! Am besten verschwinden Sie jetzt.«
»Jawohl, Hauptwachtmeister Sinkwitz.« Asmus schnallte das Koppel mit dem kurzen Degen um und verließ die Wache. Ihm war unklar, ob die Anordnung, durch Westerland zu patrouillieren, Sinkwitz’ Form von Bestrafung war oder eine Methode, ihn von Nachforschungen nach dem Fuhrmann abzuhalten. Seine Bemerkung über den Lehnsessel hatte er vollkommen ernst gemeint.
Durch die Friedrichstraße bummelte er immer noch grübelnd. Plötzlich wurde er derb gestoßen und stolperte rückwärts über einen Blumenkübel.
»Sie haben mich wirklich frech auflaufen lassen, auch wenn die Angaben über Ihre Herkunft stimmten«, zeterte der Zeppelin-Meier, dem Asmus aus Unachtsamkeit fast auf die Füße getreten wäre. »So etwas ist mir selten passiert! Sind Sie von Ihrem Vorgesetzten als Maulwurf zu dem Bankett geschickt worden? Ich habe gehört, dass er Kommunist ist. Denen ist alles zuzutrauen!«
»Das hatte Herr Sinkwitz nicht nötig. Er saß am Nachbartisch. Sie haben sich von ihm den leeren Aschenbecher reichen lassen.«
Meiers Kiefer klappten zu. Offenbar hatte er sich seine nächsten Schimpftiraden bereits zurechtgelegt, die aber geradeunbrauchbar geworden waren. »Diese Insel scheint mir im Hinblick auf wirtschaftliche Moral und Klarheit wahrlich nicht genügend gefestigt, um hier zu investieren. Richten Sie Ihrem Vorgesetzten aus, dass mich am meisten der Zustand der Polizei abstößt.«
»Gerne«, warf Asmus ein.
Ein weitere Bemerkung, die Meier verblüffte. »Guten Tag, Herr Asmus«, schnarrte er, lupfte seinen Hut und spazierte mit schwingenden Armen davon, immer in der Mitte des Gehsteiges, ohne jede Rücksicht auf Kinderwagen und ältere, pelzbehängte Damen mit Gehstöcken.
Es würde dem Abgeordneten Bauer aber gar nicht gefallen, wenn noch mehr potentielle Investoren den gleichen Eindruck bekämen, dachte Asmus, der Meier nachsah. Für immer Ade Zeppelinhafen.
Da Asmus nun schon in der Friedrichstraße war, nutzte er die Gelegenheit, bei Sibbersen reinzuschauen.
Bonde Sibbersen schüttelte schon bedauernd den Kopf, als über Asmus noch die Türglocke ging. Außer ihm und dem Mädchen war niemand im Laden.
»Gute Nachricht habe ich nicht«, sagte Sibbersen gedämpft. »Aber Markus hat mir sofort telegrafiert. Die Freunde vermissen Cord und einen weiteren Urning aus ihrer engeren Gruppe. Sie nehmen an, dass beide zusammen in der Öffentlichkeit – einem Park etwa – erwischt und festgenommen wurden. Augenblicklich suchen die Kameraden nach dem Gefängnis, in dem die beiden vielleicht einsitzen, aber das ist nicht einfach, wie Sie sich denken können. Entgegenkommen gibt es meistens nicht, wenn es um Urninge geht. Als wären sie Hochverräter.«
»Aber wenigstens ist die Strafe milder. Weder Todesstrafe noch Festungshaft …«
»Stimmt, Cord würde wohl mit einigen Monaten davonkommen. Markus will mich informieren, sobald er Näheres weiß. Ich fahre dann runter nach Frankfurt, um Cord einen Verteidiger zu besorgen.«
»Dann ist das soweit geklärt«, sagte Asmus aufmunternd und verließ den Kaufladen mit fünf Eiern. Ihm war weitweniger zuversichtlich zumute als Cords Vater. Es gab so viele andere Möglichkeiten, warum ein junger Mann verschwand. Ohne Nachricht zu geben, waren schon viele junge Männer ins Ausland ausgewandert.
Als Asmus abends wieder im Cockpit saß und den friedlichen Abend genoss, stieg Hans Christian mit zwei Flaschen Bier zu ihm an Bord. »Hast du inzwischen herausgefunden, wer Böhrnsen befreit haben könnte?«, fragte der Werftbesitzer.
Asmus schüttelte den Kopf.
»Ich auch nicht. Aber meine Frau hat Jörn Frees im Hafen herumlungern sehen. Am Abend unseres Abreisetages und am nächsten, als wir dann mit Böhrnsen zurückkamen. Am zweiten Tag kam er etwas später, entsprechend der Tide. Es scheint, als hätte man ihm aufgetragen, wann er hier sein sollte. Den Tidenkalender kann er ganz sicher nicht lesen und auch keine Tiden berechnen.«
Jörn Frees. Das war ja ein ganz neuer Aspekt. Aber er fügte sich nahtlos in die seltsamen Ereignisse am Ufer. »Jörn wird also von jemandem beauftragt, uns zu überwachen, meinst du.«
»Ja.«
»Mittlerweile könnte selbst ich fünf Namen von Leuten aufzählen, die Böhrnsen schützen würden, jedenfalls solange es für sie gefahrlos bleibt.«
»Mindestens.«
»Und
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