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Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Autoren: Kari Köster-Lösche
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Wasser, wofür auch alle anderen Anzeichen sprechen, die ich bisher oberflächlich in Augenschein genommen habe.«
    »Als da wären?«
    »Das Aufquellen der Haut an Händen und Füßen, wir nennen das Waschhaut. Soweit ich es mit dem Auge beurteilen kann, werde ich sie in toto von Muskeln und Sehnen abstreifen können. Auch die Haare scheinen sich bereits von der Kopfhaut zu lösen. Ich erhöhe auf drei oder vier Wochen. Nach den vielen Regentagen waren das Nordseewasser kalt und die Zerfallsprozesse verlangsamt. Warum hat der Mann eigentlich keine Schuhe an?«
    »Ich weiß es nicht. Die Erklärung für seinen Unfall ist, dass er auf der Steinschute gearbeitet hat, aber vergaß, sich bei Wellengang mit einem Tau zu sichern. Vielleicht kam er nachts schlaftrunken an Deck.«
    »Oder betrunken?«
    Asmus zog schweigend die Schultern nach oben. »Jedenfalls sollen die schweren Granitsteine hinter ihm her von Bord gerollt sein und seine Sicherungsleine in einem Steinberg eingeklemmt haben.«
    »Dass er sich nicht absicherte, liegt vielleicht daran, dass er kein Arbeiter war und die Vorsichtsmaßnahmen nicht begriff. Sehen Sie mal her.«
    Asmus kam vorsichtig näher und versuchte, so flach wie möglich zu atmen. Dann starrte er auf die Handflächen des Toten, dessen Finger Godbersen gestreckt hatte.
    »Dieser Tote hat nie körperlich gearbeitet. Auch die Füße weisen keine Schwielen von Arbeitsstiefeln auf. Wenn er überhaupt auf einer der Steinschuten hergekommen ist,dann als Gast, als Journalist, als Beobachter aus unbekannten Gründen. Oder weil es schlicht billiger war als die Anreise mit Bahn und Fähre.«
    »Als verkleideter Journalist womöglich«, ergänzte Asmus. »Man muss auch seine Kleidung bedenken. Die Gewerkschaften stellen nicht selten Untersuchungen über Arbeitsbedingungen an.« Dem Steinbetrieb war andererseits auch zuzutrauen, dass er Passagiere gegen Kleingeld mitnahm. Aber was auch immer er gewesen war, Mitglied der Mannschaft oder Fahrgast: er musste Besitztümer gehabt haben, Wechselwäsche im Seesack, im Koffer oder in einer Reisetasche. Bisher war kein Fund gemeldet worden. In diesen schlechten Zeiten war es allerdings denkbar, dass der Finder es behielt.
    Asmus schlug einen Bogen um den Instrumententisch und ging hinter dem Kopf der Leiche in die Knie, um die Haare genauer zu betrachten, die sehr seltsam wirkten. Unregelmäßig abgeschnitten, waren sie mal lang, mal kurz, stellenweise war die Kopfhaut freigelegt. »Eine Frage habe ich noch. Können die Haare einer Wasserleiche einfach abbrechen, Doktor?«
    »Sie meinen, weil er gewissermaßen gar keinen Haarschnitt hatte?«
    »Ja. Als hätte ein Pferd sie abgerupft.« Asmus kam ein Seepferd in den Sinn, aber das laut zu sagen, gehörte sich aus Respekt nicht.
    »Nein, das können sie nicht.«
    »Dann hat er sich selber so zugerichtet. Das passt zur Arbeiterkleidung. Als ob er inkognito nach Sylt gekommen wäre«, schloss Asmus nachdenklich. Zwar gingen ihm noch andere Möglichkeiten der Erklärung im Kopf herum, aber die erwähnte er lieber nicht, vor allem nicht diejenige, die ihm im Augenblick am naheliegendsten schien. Er richtete sich wieder auf. »Dann weiß ich vorläufig genug.«
    »Sie bekommen einen schriftlichen Bericht von mir, das wird einige Tage dauern. Sollte ich noch etwas Außergewöhnliches entdecken, melde ich es Ihnen sofort«, versprach Godbersen.
    »Ganz herzlichen Dank auch, dass Sie die Sektion sofort durchführen konnten.«
    »Im Augenblick kein Problem. Auch wir in der Klinik merken, dass weniger Gäste auf der Insel sind. Und mit Mangelernährung und seinen Folgen wie im Binnenland haben wir es glücklicherweise kaum zu tun, mit Skorbut, Tuberkulose und was es sonst noch so gibt.«
    Plötzlich fühlte sich Asmus bestätigt, dass er beim Verdacht auf Klau von Möweneiern als Polizist nicht eingeschritten war, ebenso wie er es vermieden hatte, Jägern zu begegnen, deren Gewehrschüsse trotz der Schonzeit zu hören gewesen waren. In Hungerzeiten musste man als Gesetzeshüter Konzessionen machen, denn in erster Linie ging es um die Menschen.
    Nachdenklich stieg Asmus aus dem Kellergeschoss wieder nach oben, wo es nur nach Desinfektionsmitteln, aber wenigstens nicht nach Tod roch. Oder war dies bloße Einbildung?
    »Moin, Herr Asmus«, hörte er eine junge Stimme hinter sich und drehte sich um.
    »Unser Rettungssanitäter«, stellte Asmus überrascht fest. »Moin auch.«
    »Schön, mal wieder Polizisten im Haus zu sehen«,
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