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Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Autoren: Kari Köster-Lösche
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Unter dem Aspekt eines Mordes musste man davon ausgehen, dass der Mörder die Haare derart zugerichtet hatte. Womöglich aus den gleichen Gründen wie die verunstaltenden Schnitte im Gesicht? Rache?
    Oder aus einem sehr viel einfacheren Grund: Damit der Tote auf keinen Fall erkannt würde, selbst wenn er nach Wochen an die Oberfläche und an Land triebe. Das hieße, er war ein Sylter, auf Sylt bekannt, und Asmus hatte seine Vermutung mit Sinkwitz zu diskutieren.
    Sinkwitz aber machte sich einstweilen rar. Dagegen kam Matthiesen zurück. Er rümpfte missmutig die Nase, während er den Schuh aus dem Beutel zog. »Niklas, solche Modelle gibt es in Deutschland nicht, sagt Jürgensen, der Schuster in der Paulstraße. Das ist ein amerikanisches Fabrikat. Schade.«
    »Kopiert er solche Schuhe gelegentlich?«
    »Nie. Es ist ein Fabrikschuh. Jürgensen hat weder die gleichen Materialien, noch könnte er einen Schuh so billig herstellen, weil er ja mit der Hand fertigt.«
    »Ich dachte, der Schuh wäre teuer.«
    »Für Deutsche, weil sie in Dollar zahlen müssen. Es ist ein Modeschuh von mittlerer Qualität, und so ist auch der Preis. Aber im deutschen Einheitsbrei von Schuhwerk ist er auffällig.«
    »Andere Schuster wären derselben Meinung?«
    »Soweit sie sich überhaupt mit den Schuhen der Badegäste aus eleganten, reichen Kreisen befassen, ja, sagt Jürgensen.«
    »Gut, dann ist das wenigstens geklärt. Wahrscheinlich stammt der Schuh von einem kurz vor der Sturmflut abgereisten Gast. Trotzdem wundert mich, dass er so tadellos erhalten ist.«
    »Vielleicht ist es ja ganz anders«, riet Matthiesen munter. »Möglicherweise ging er vor dem Sturm verloren, trieb an der Baustelle an und wurde von einem der Arbeiter aufgesammelt. Man kann immer hoffen, dass das zweite Exemplar von angetriebenen Schuhen auch noch ankommt. Ichhabe einmal ein Paar Gummistiefel an unterschiedlichen Orten und mit zwei Tagen Abstand im Schlick aufgelesen. Sie passten mir sogar. Aber zurück zu unserem Fundschuh: In der Sturmflut wurden natürlich die Bauhütten zerschlagen und ihr Inhalt in alle Winde verstreut. Will sagen: von den Wellen irgendwo abgesetzt.«
    »Auch das wäre möglich«, gab Asmus zu.
    »Aber weißt du was, Niklas? Ich hatte trotz allem das Gefühl, dass Jürgensen sich nicht ganz sicher war. Das ist natürlich keine polizeiliche Dimension, und ich würde Sinkwitz nie damit kommen … Was hältst du davon?«
    »Man nennt es Gespür, und das wird dich mit längerer Erfahrung zu einem guten Polizisten machen.«
    »Wirklich?« Matthiesen errötete vor Freude.
    Asmus schmunzelte in sich hinein. Wenigstens war er nicht der Einzige, der unter Gefühlsaufwallungen litt. Als er sich seinem Schreibtisch zuwandte, sah er, dass Jep sich verlegen davonstahl. Er musste die ganze Zeit zugehört haben. Ihn freute es, dass Jep endlich Interesse an seinem Beruf aufbrachte.
    Sinkwitz tauchte am Spätnachmittag auf, zeigte aber nicht das geringste Interesse an Asmus’ Erkenntnissen. »Lassen Sie mich doch mit Ihrem Toten in Ruhe«, fauchte er. »Der ist nicht von hier. Ich habe ganz andere Sorgen. Diese von den Reichen gemachte Inflation macht uns kaputt! Scheißkapitalisten!«
    »Gewiss«, bestätigte Asmus. »Aber deswegen setzen wir uns doch nicht hin, um Däumchen zu drehen. Sollten Sie keine Lust haben, das Tagesgeschäft zu betreiben, HWM, mache ich es mit Matthiesen.«
    »Machen Sie, was Sie wollen, Streber, Sie! Sie sind ja nur auf meinen Posten aus, das weiß ich!«
    Daher wehte also der Wind! Allerdings hatte er Sinkwitz provoziert. Abgesehen davon, dass ein Aufstieg vom degradierten und strafversetzten Wachtmeister zum Hauptwachtmeister aus formalen Gründen unmöglich war, wäre der Versuch, Sinkwitz zu beruhigen, sowieso sinnlos gewesen.
    Sinkwitz verschwand, und Asmus wandte sich wieder seinem Fall zu, was zunächst nur bedeutete, dass er die Füße auf dem Tisch deponierte. Aber schnell wanderten seine Gedanken wieder zu der seltsamen Frisur des Toten. Sofern man in Betracht zog, dass der Mann trotz der Arbeiterkleidung gar kein Arbeiter gewesen war, war er verkleidet gewesen, um seine wahre Natur zu verschleiern. Aber hatte er dies selber gemacht? Und warum sah er aus wie ein Hahn, der nur halb gerupft worden war? Oder hatte sein Mörder ihn so verunstaltet?
    An dieser Stelle kam Asmus nicht weiter, so dass er sich den leidigen schriftlichen Arbeiten zuwandte, die auch erledigt werden mussten und stundenlang dauerten.
    Höchst
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