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Der Tote am Steinkreuz

Der Tote am Steinkreuz

Titel: Der Tote am Steinkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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wolle sie den Kopf vor einem Schlag schützen. Sie verharrte nur einen Moment in dieser Stellung, dann rappelte sie sich hoch und wandte ihnen das Gesicht zu. Fidelma und Eadulf waren entsetzt von dem, was sie sahen: die Augäpfel hatten keine Pupillen, sie blickten weiß und leer.
    » Retro Satana! «murmelte Eadulf und bekreuzigte sich.
    »Es ist ein Satan, Bruder«, bestätigte Dubán trocken.
    Die Gestalt war die eines Mannes. Sie war so mit Schmutz und Exkrementen bedeckt, das Haar war so wild und verfilzt, daß sie die Gesichtszüge nicht erkennen konnten. Fidelma hatte den Eindruck, sie sei nicht alt. Dann fiel ihr ein, daß Crón das Alter Móens mit einundzwanzig Jahren angegeben hatte. Der Mund war eine breite sabbernde Öffnung, und aus ihm drang weiter dieses schreckliche Stöhnen. Doch es waren die Augen, die Fidelma und Eadulf fesselten, diese armseligen weißlichen, trüben Bälle mit kaum einer Spur von Pupillen darin.
    »Ist das der Móen, der des Mordes an Eber und Teafa beschuldigt wird?« flüsterte Fidelma entgeistert.
    »Allerdings.«
    »Móen«, brummte Eadulf. »Natürlich! Bezeichnet nicht schon der Name jemanden, der stumm ist?«
    »Du hast es richtig erfaßt, Bruder«, bestätigte Dubán. »Stumm ist er, seit er gefunden und von Lady Teafa aufgenommen wurde.«
    »Und blind?« fragte Fidelma und starrte mit Schrecken und Mitleid auf die Gestalt, die vor ihr hockte.
    »Und taub«, setzte Dubán finster hinzu.
    »Und man behauptet, daß so ein unglückliches Wesen zwei gesunde Menschen töten konnte?« murmelte Fidelma ungläubig.
    Eadulf betrachtete die Gestalt mit Abscheu.
    »Warum hat man uns nicht schon eher von dem Zustand dieser Person unterrichtet?«
    Der Krieger sah ihn überrascht an.
    »Aber jeder kennt doch Móen. Es kam mir nie in den Sinn, daß …«
    Fidelma unterbrach seine Beteuerungen.
    »Nein. Es ist nicht deine Schuld, daß wir es nicht früher erfahren haben. Aber eins möchte ich ganz klarstellen: Verstehe ich es richtig, daß dieses taubstumme und blinde Geschöpf beschuldigt wird, den Mord an Eber und …«
    Sie hielt inne, denn die Gestalt bewegte sich vorsichtig vorwärts und hob den Kopf wie ein witterndes Tier. Sie schnüffelte. Fidelma starrte auf sie hinab, als sie sich ihr auf allen vieren näherte.
    »Ich würde etwas zurücktreten, Schwester, denn er riecht Leute, auch wenn er sie nicht sehen oder hören kann«, warnte sie Dubán.
    Es war zu spät, denn eine kalte, schmutzige Hand schoß vor und berührte Fidelmas Fuß. Erschrocken fuhr sie zurück.
    Móen hielt sofort inne.
    Dubán trat auf ihn zu, in einer Hand die Lampe, die andere wie zum Schlag auf den Unglücklichen erhoben.
    Fidelma sah die Bewegung und winkte ihn zurück.
    »Schlag ihn nicht«, befahl sie. »Man führt keinen Schlag, den der andere nicht sehen kann.«
    Das war ein Glück, denn Móen saß mit erhobenem Gesicht da. Jetzt hielt er die Hände hoch und machte eigenartige Bewegungen mit ihnen.
    Fidelma schüttelte traurig den Kopf.
    »Achte nicht auf ihn, Schwester«, knurrte Dubán, »denn Gott hat ihn verflucht.«
    »Kannst du ihn nicht wenigstens säubern lassen?« verlangte Fidelma.
    Dubán sah sie überrascht an.
    »Wozu?«
    »Er ist ein menschliches Wesen.«
    Der Krieger setzte eine sarkastische Miene auf.
    »Das sieht man ihm aber kaum an.«
    »Dubán, du hast bereits gegen das Gesetz verstoßen, weil du über einen Behinderten gespottet hast.«
    Der Krieger öffnete den Mund, um zu protestieren, doch Fidelma fuhr entschlossen fort: »Ich erwarte, daß er sauber ist, wenn ich ihn mir wieder ansehe. Du kannst ihn weiter gefangenhalten, aber er muß Nahrung und Wasser bekommen und gesäubert werden. Ich dulde es nicht, daß ein Geschöpf Gottes so leiden muß. Was man ihm auch vorwerfen mag.«
    Sie drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Stall. Eadulf zögerte einen Moment. Ihn beunruhigten die bitteren Gefühle, die sich im Gesicht des Kriegers abzeichneten, während er Fidelma nachsah.
    Fidelma blieb draußen stehen und atmete tief durch, um ihren Zorn zu bändigen. Von dem anderen Krieger, Crítán, war nichts zu sehen. Langsam gingen sie auf Ebers Wohnung zu.
    »Man kann Dubán keinen Vorwurf machen«, versuchte Eadulf sie zu besänftigen. »Und vergiß nicht, dieses arme Geschöpf, wie du es nennst, hat Eber, seinen Fürsten, getötet.«
    Er zuckte beinahe zusammen, als Fidelmas grüne Augen ihn plötzlich mit zornerfülltem Feuer anfunkelten.
    »Móens Schuld muß erst mal

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