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Der Tote am Steinkreuz

Der Tote am Steinkreuz

Titel: Der Tote am Steinkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Eber vor mir lag und das Leben aus ihm gewichen war. Ich glaube, ich stöhnte etwas. Ich wollte mir den Weg nach draußen suchen und Teafa wecken, als mich Hände grob packten. Ich hatte Angst um mein Leben. Ich schlug um mich. Fäuste trafen mich, taten mir weh, und ich wurde gefesselt. Ich wurde irgendwohin geschleppt. Es roch ekelhaft. Niemand kam zu mir. Niemand versuchte sich mit mir zu verständigen. Ich brachte eine Ewigkeit im Fegefeuer zu und wußte nicht, was ich tun sollte. Mir wurde klar, daß Eber erstochen worden war, und zwar mit dem Messer, das ich gefunden und in der Hand gehalten hatte. Ich vermutete, daß die Leute, die mich gefangen hatten, entweder seine Mörder waren oder, noch schlimmer, daß sie annahmen, ich hätte Eber getötet.
    Ich versuchte etwas zu finden, auf das ich eine Nachricht für Teafa schreiben könnte. Ich konnte nicht verstehen, daß sie mich im Stich ließ. Ab und zu warf man mir ein paar Brocken zu essen hin. Es gab auch einen Eimer mit Wasser. Manchmal konnte ich essen und trinken, aber oft fand ich die Brocken nicht, die sie mir hinwarfen. Niemand half mir. Niemand.«
    Er machte eine Pause, ehe seine Finger weiterschrieben.
    »Ich weiß nicht, wieviel Zeit verging. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Schließlich bemerkte ich einen Geruch, den ich auch jetzt wahrnehme … Die Frau mit Namen Fidelma. Danach kamen Hände, die grob waren, aber mich säuberten, fütterten und mir zu trinken gaben. Ich blieb angekettet, erhielt jedoch eine bequeme Strohmatratze, und der Ort roch besser. Aber wieder verging Zeit. Erst jetzt kann ich reden, und erst jetzt ist mir ganz klar, was sich ereignet hat.«
    Fidelma seufzte tief, als Gadra die Übersetzung der Fingerzeichen des jungen Mannes beendet hatte.
    »Móen, dir hat man ein großes Unrecht zugefügt«, sagte sie schließlich. Gadra übersetzte prompt. »Selbst wenn du schuldig gewesen wärst, hätte man dich nicht wie ein Tier behandeln dürfen. Dafür müssen wir dich um Verzeihung bitten.«
    »Du brauchst nicht darum zu bitten, Fidelma. Du hast mich aus dieser Lage befreit.«
    »Noch nicht ganz. Ich fürchte, befreit bist du erst, wenn wir deine Unschuld bewiesen und den Schuldigen überführt haben.«
    »Ich verstehe. Wie kann ich dir dabei helfen?«
    »Für den Augenblick hast du mir sehr geholfen, ich werde später noch einmal mit dir sprechen. Du kannst in die Hütte zurückkehren, in der du mit Teafa gewohnt hast und die dir vertraut ist. Wenn Gadra dazu bereit ist, wird er für dich sorgen, bis unsere Suche nach dem Schuldigen beendet ist. Zu deinem eigenen Schutz empfehle ich dir, die Hütte nicht allein zu verlassen.«
    »Ich verstehe. Danke, Schwester Fidelma.«
    »Noch eins.« Ihr war ein Gedanke gekommen.
    »Nämlich?« fragte Móen durch Gadra, als sie schwieg.
    »Du sagtest, du konntest mich riechen?«
    »Ja. Ich mußte die Sinne entwickeln, die Gott mir gelassen hat: Tastsinn, Geschmack und Geruch. Ich spüre auch Schwingungen. Ich merke es, wenn sich ein Pferd nähert oder ein kleineres Tier. Ich erkenne, in welche Richtung ein Fluß läuft. Das alles verrät mir, was um mich herum geschieht.«
    Er hielt inne und schien genau in die Richtung von Bruder Eadulf zu lächeln.
    »Ich weiß, daß du einen Begleiter hast, Fidelma, und daß es ein Mann ist.«
    Eadulf bewegte sich verlegen.
    »Es ist Bruder Eadulf«, erklärte Gadra und sagte zu ihm: »Wenn du nicht Ogham kannst, drücke Móen die Hand zum Gruß.«
    Vorsichtig langte Eadulf hinüber und nahm die Hand des jungen Mannes. Er fühlte den Druck als Antwort.
    »Sei gesegnet, Bruder Eadulf«, übersetzte Gadra rasch die Fingerbewegungen Móens.
    »Kommen wir auf deinen Geruchssinn zurück«, unterbrach ihn Fidelma. »Erinnere dich daran, Móen, wie jemand deine Hand ergriff und dir den Stab mit der Ogham-Schrift gab, die lautete, du solltest zu Eber kommen. Du sagtest, du hättest seinen Geruch nicht erkannt. Hatte er denn einen Geruch?«
    Móen dachte nach.
    »O ja. Ich habe nicht mehr daran gedacht. Es war ein süßer Geruch nach Blumen.«
    »Ein Geruch nach Blumen? Aber es war kalt, sagtest du. Das heißt, für uns war es Nacht, und nach der Zeit, zu der du in Ebers Wohnung angetroffen wurdest, stimmt das auch. Nur wenige Blumen geben in den ganz frühen Morgenstunden ihren Duft ab.«
    »Es war ein Parfüm. Nach dem Geruch dachte ich zuerst, es wäre eine Dame, die mir den Stab gab. Aber die Hände, die meine Hände berührten, waren rauh und schwielig. Es muß

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