Der Tote im Eiskeller
verschränkt, beschämt stehen.
«Guten Tag, Magda», sagte Madame Hecker. «Dich hier zu treffen – das ist eine Schande.» Und zu Wagner: «Wollt Ihr mir keinen Stuhl anbieten?»
Das wollte Wagner nicht, er tat es trotzdem. «Gewiss», stotterte er, «gewiss. Allerdings, Ihr seht es, ich bin gerade in einem Verhör. Wenn Ihr die Güte hättet, nun ja, draußen, in der anderen Stube – die ist ein besserer Ort für ein Gespräch. Sicher ist es von großer Wichtigkeit, wenn Ihr Euch extra hierher, ich meine, Euch an diesen Ort, nun ja, begeben habt.»
Madame Heckers Miene verriet, dass sie nicht daran dachte, seinen Vorschlag zu akzeptieren. «Nein», sagte sie mit verbindlichem Lächeln, «hier bin ich genau richtig.»
«Richtig, gewiss. Wenn Ihr meint», er schob ihr seinen Schemel zu, «und wenn Ihr die Unbequemlichkeit auf Euch nehmen wollt. Grabbe! Bring sie weg.»
Grabbe brauchte einen Moment, bis er verstand, dass nicht Madame Hecker gemeint war, sondern Magda, womit sich wiederum Madame Hecker nicht einverstanden zeigte.
«Magda bleibt hier», sagte sie. «Da Euer Gehilfe nun ohne Auftrag ist, soll er Neele holen. Neele Ellert. Ich hoffe sehr, Weddemeister, Ihr habt sie gut behandelt. Sie ist eine zarte Seele, ein solcher Ort muss sie erschrecken.»
Wagner war einiges gewöhnt, dass der Pesthof und zuzeiten auch das Werk- und Zuchthaus das Ziel der Neugierigen waren, mochte angehen. Aber die Fronerei, seine Verhörstube – das ging über die Grenzen! Selbst für eine Madame Hecker.
Während er noch überlegte, wie er diese überaus lästige Dame halbwegs höflich und schnellstmöglich wieder hinausbefördern könnte, brachte Grabbe Neele, und Madame Hecker erhob sich mit vornehmem Knistern ihrer seidentaftenen Röcke.
«Setzt euch», sagte sie zu den beiden Frauen, und als Magda sprechen wollte: «Ohne zu reden. Das könnt ihr später tun, jetzt schweigt ihr. Setzt euch», wiederholte sie ungeduldig, zeigte auf die Hocker und nahm mit der größten Selbstverständlichkeit auf Wagners Lehnstuhl hinter dem Tisch Platz. Da es keinen weiteren Stuhl gab und Grabbe eiligst die Tür von außen geschlossen hatte, konnte Wagner ihn nicht nach einem schicken. So musste er stehen bleiben und erfahren, dass seine Theorie vom Sitzen und Stehen in der Verhörstube nur bedingt richtig war.
Auch ein paar andere Theorien gingen ihm an diesemTag verloren, insbesondere die, nach der es die Herrschaften in den großen Häusern nicht kümmere, was aus ihren Dienstboten wurde.
«Und nun, Weddemeister», sagte Madame Hecker, «verratet mir, warum Ihr meine beiden Helferinnen in der Fronerei festhaltet. Schon seit gestern Abend, wie man mir berichtet hat, und aus keinem Grund als einem harmlosen nächtlichen Spaziergang in Männerkleidern, was, wie ich gerade schon unserem verehrten Stadtkommandanten und Monsieur Herrmanns erklärte, ungewöhnlich ist, aber höchst vernünftig. Nun?»
Sie blickte Wagner mit gehobenen Brauen an. Sein Gesicht war ein einziges Fragezeichen.
«Beiden Helferinnen? Wieso beide? Nur die da», er zeigte auf Neele, «nur die war Eure Magd, ja, oder Euer Mädchen. Die andere …»
«Ich dachte es mir schon. Ihr seid unzureichend informiert, Weddemeister», unterbrach ihn Madame Hecker. «Wie bedauerlich. Und wie erstaunlich, denn Euer Ruf ist tadellos. Erst kürzlich hat Senator van Witten mir versichert, Eure Gründlichkeit sei so außerordentlich wie Eure Findigkeit. Doch lasst uns nichts Überflüssiges reden, die Zeit eilt dahin, und dies, da habt Ihr Recht, ist kein Ort, um sich länger als unbedingt nötig aufzuhalten. Ich bin gekommen, Euch zu erklären, wie sehr Ihr in diesen beiden Frauen irrt. Niemand kann bestreiten, dass sie durchaus in der Lage sind, solche Überfälle zu verüben. Wohlgemerkt: erfolgreich zu verüben. Sie sind tüchtig und auch kräftig. Unsere Herren hingegen, nun, sie halten nur Feder, Streusandbüchse und Rechnungsbuch und essen und trinken zu reichlich, das führt mit den Jahren zu Schwächlichkeit. Aber Magda und Neele», ihr Blick streifte die angespannten Gesichter der beiden Frauen,«können es nicht getan haben. In diesen Nächten waren sie nämlich gar nicht in der Stadt.»
Sie lehnte sich zurück und sah mit mildem Lächeln von einem zum anderen und fuhr fort: «Sie waren bei mir, beide, Magda und Neele, in meinem Gartenhaus vor dem Steintor. Kennt Ihr die Geschichte vom ungläubigen Thomas, lieber Weddemeister? Sicher kennt Ihr sie. Genauso seht
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