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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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bekennen: Ich war ungehorsam. Die Ernte meiner Birnen, ja, auch der Pflaumen, erlaube ich nur bewährten Händen. Tafelobst ist empfindlich, seine Ernte erfordert Zartheit und Geschick. Fragt nur Eure Madame Wagner, sie wird es sofort verstehen. Da ich niemanden kenne, der sich besser darauf versteht, habe ich es gewagt, mich über den Befehl meines Gatten hinwegzusetzen und diese beiden kommen lassen. So einfach ist es. Und nun», sie erhob sich,schüttelte zierlich die Rüschen ihrer Ärmel aus und griff nach ihrem Schultertuch aus schwerer tannengrüner Seide, «nun haben wir genug Eurer Zeit vergeudet. Obwohl Ihr zugeben müsst, dass Ihr daran selbst nicht ganz unschuldig seid.»
    «Nein», stieß Wagner hervor, «das lasse ich nicht zu. Ihr könnt sie nicht mitnehmen. Solange die Sache nicht endgültig geklärt ist, bleiben sie hier. Beide.»
    «Nicht geklärt? Was könnt Ihr nur meinen, Weddemeister? Oh, ich verstehe. Als gründlicher Mensch wünscht Ihr weitere Zeugen, die meine Worte bestätigen. Das ist einfach, Ihr könnt alle befragen, die mit mir im Gartenhaus wohnen. Mein Mann hat leider kein Vergnügen am Leben vor der Stadt, er war schon seit Monaten nicht mehr dort, auch meine Kinder können in dieser Sache aus dem gleichen Grund keine Auskunft geben. Aber meine Köchin, mein Mädchen, die Magd, der Kutscher, einer der beiden Bauern, die schon seit Jahren bei der Bestellung meines Gartens helfen, sie alle werden bestätigen, was Ihr von mir gehört habt. Mehr verlässliche Stimmen kann ich nicht bieten, ich lebe bescheiden, doch ich denke, das wird Euch genügen. Und nun gehen wir. Mein Kutscher versperrt den Platz vor diesem Haus. Neele. Magda. Rasch, ich warte. Ihr wisst, wie sehr ich es hasse zu warten.»
    Sie reichte Wagner die Fingerspitzen, schenkte ihm ein schmelzendes Lächeln und zog Neele hoch, die immer noch mit fassungslosem Blick auf ihrem Schemel hockte.
    «Lebt wohl, Weddemeister», sagte Madame Hecker zum Abschied. «Falls Ihr meine Dienstboten befragen wollt, vergesst nicht, dass es heute schon spät und morgen Sonntag ist. Aber natürlich will ich Euch in Amtsangelegenheiten auch am Tag des Herrn empfangen. Am besten zwischen elf und zwölf, zur gewöhnlichen Zeit für Sonntagsbesucheunter zivilisierten Menschen. Wenn Ihr mögt, bringt Eure Gattin mit. Wegen der Birnen, sie kann sich die schönsten aussuchen. Wie man hört, ist die junge Madame Wagner ganz reizend. Wenn ich es aber recht überlege», sie legte sich ihr Tuch um die Schultern und steckte es mit einer schmalen Diamantnadel fest, «werdet Ihr diesen Weg als überflüssig erkennen, denn Ihr könnt nicht glauben, eine Madame Hecker sage anderes als die Wahrheit. Madame Hecker, Tochter von Senator Kaltenhoog, Schwägerin des Ratssyndikus Hansen, Nichte des Bürgermeisters von Lübeck. Sicher wisst Ihr auch, dass meine Töchter die besten Freundinnen der Töchter des Barons Schimmelmann sind und – ach, ich denke, das genügt zu meiner Reputation.»
    Leise zog sie hinter sich und den beiden Frauen die Tür ins Schloss. Wagner knickte ein wie ein dürrer Ast.
     
    Eine halbe Stunde später, die sich ankündigende Dämmerung hätte es nötig gemacht, eine Kerze anzuzünden, hockte Wagner immer noch auf einem der Schemel und starrte blind durch das Fenster. Sein Zorn war verflogen, der Schweiß auf seiner Stirn getrocknet, sein wütender Herzschlag wieder ruhig.
    Das Beste wäre es, das Spiel, das Madame Hecker – warum auch immer – zu spielen schien, einfach mitzumachen. Ihrer Caprice und der erdrückenden Übermacht ihrer Herkunft und Beziehungen nachzugeben. So war es eben, es gab ein Oben und ein Unten, und wer oben war, trug die schimmernde Rüstung der Unangreifbarkeit. O ja, sie hatten in dieser Stadt auch schon Ratsherren geköpft, aber nur, wenn sie die Politik der Kaufleute gestört hatten, empfindlich gestört. Aber eine Madame Hecker, Tochter von, Schwägerin von, Nichte von, Freundin von   …
    Er war so sicher gewesen, mit den beiden Frauen dieRichtigen erwischt zu haben. Er war es ja immer noch. Aber wenn er sich nun doch irrte? Wenn Madame Hecker
nicht
log? Wenn auch der Chirurg nicht gelogen hatte? Wenn sie Recht hatten? Und er, der Weddemeister, irrte, weil er verlernt hatte, auch das Unwahrscheinliche in Betracht zu ziehen? Weil er unbedingt, endlich, diese Überfälle aufklären wollte.
    Alle drei Opfer   – Hecker, Müllerjohann und Schott – hatten behauptet, sie seien von Männern überfallen

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