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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Streifen, diedunkelblaue Jacke über dem grauen Mieder, das mit seiner schmalen Spitze um das bescheidene Dekolleté allzu brav wirkte – das war das falsche Kostüm für einen Besuch bei den Wachen auf der Bastion Eberhardus. Sollte er doch bleiben, wo der Pfeffer wächst. Sie hatte Besseres zu tun, als sich mit vergeblichem Warten die Tage zu verderben. Die Tage und die Nächte.
    Als Rosina zum Kröger’schen Hof zurückkehrte, war sie vom eiligen Gang durch den warmen Tag erhitzt, doch ihr Zorn hatte sich abgekühlt. Sie sah keinen Sinn darin, ihre Kräfte auf diese Weise zu verschwenden. Ein Brief würde kommen oder nicht, und wenn keiner kam, wusste sie, was es bedeutete. Dann begann ein neuer Tag, und das Leben führte sie auf neue Straßen. Das war eine äußerst vernünftige Einsicht. Sie hoffte, sie werde einige Tage anhalten. Wenigstens bis morgen.
     
    Claes Herrmanns legte die Feder auf die Ablage und griff nach der Streusandbüchse. Es war noch keine vier Wochen her, seit er Baptist Lehnert geschrieben hatte, seine Tochter werde bald in den Stand der Ehe treten, und er habe die Umstände des zukünftigen Ehemannes aufs Gründlichste geprüft. Er wusste nicht, wo sich jener Brief auf seiner langen Reise zwischen Hamburg und Bengalen nun befand, schlimmstenfalls lag er noch in London und wartete, bis das nächste Schiff der
British East India Company
ablegte, um den halben Globus zu umrunden, um Monate später – wenn es Stürme, Piraten und andere Misslichkeiten überstand und nicht auf dem Grund der Meere endete – in den Flusshafen von Kalkutta einzulaufen.
    Er streute Sand über den Bogen und sah zu, wie die staubfeinen weißen Kristalle die überschüssige Tinte aufnahmen. Lange schon war ihm kein Brief mehr so schwergefallen wie dieser. Es war gut möglich, das er seine Reise um die Welt auf einem anderen, einem schnelleren Schiff antrat und Fennas Vater vor dem ersten erreichte. Diese verflixte Heiraterei. Er hätte nicht auf Anne, sondern auf sein eigenes ungutes Gefühl hören sollen, dann wäre ihm dieses Durcheinander erspart geblieben. Eine Ehe war kein Roman, sie sollte vor allem mit Vernunft geplant werden. Claes Herrmanns hatte selbst aus Liebe geheiratet (wobei dieser Liebe zum Glück kein vernünftiger Grund entgegengestanden hatte), er schätzte sie auch nicht gering. Trotzdem: Über die Zukunft musste mit beiden Füßen fest auf der Erde entschieden werden, anstatt mit dem Kopf in einer rosigen Wolke. Hätte er das nicht schon vorher gewusst, so hätte es ihm seine Tochter bewiesen. Wobei Sophies Geschichte tatsächlich einem Roman glich, nämlich einem Schauerroman. Er spürte, wie sich sein Mund zu einem Lächeln verzog, und stellte erstaunt fest, dass der Gedanke an seine Tochter ihn nicht gallig stimmte. Widerwillig gestand er zu, Anne könnte in Sophies Fall doch die Klügere gewesen sein. ‹Sophie hat ihr Leben selbst in die Hand genommen›, hatte sie irgendwann ungeduldig gesagt, ‹sie ist glücklich und du wirst dich daran gewöhnen.› Es stimmte, er begann sich daran zu gewöhnen, dass seine Tochter aufs Schändlichste gegen die guten Sitten verstoßen hatte und er sie trotzdem liebte.
    Erst als er begriff, dass er einzig wegen Sophie so lange zögerte, Fenna und Malthus seine Einwilligung zu geben, hatte er endlich zugestimmt. Fennas Strahlen, das Glück in ihren Augen hatte ihn reichlich belohnt. Und nun? ‹Ich bin bekümmert›, dachte er, ‹wahrhaft bekümmert.› Doch die Kümmernis war nicht alles. Was er ebenso fühlte, war Erleichterung.
    Wie er nun in seinem Kontor am Schreibpult stand, denBlick über den alten Globus, den großen Tisch mit den Löwenfüßen, die für ein Kontor etwas zu behaglichen Lehnstühle und immer wieder zurück zu dem für ein langes Jahr verwaisten Platz seines reisenden Sohnes wandern ließ, beschloss er, dieses unpassende Gefühl für sich zu behalten, es höflich zu verbergen. Und sich nicht zu sehr dafür zu schämen.
    Die Verantwortung für seine große Handlung, für seine Familie und alle, die zu seinem Haus gehörten, wog schwer genug. Es war nun mal angenehm, von der Last der zusätzlichen Verantwortung für die Zukunft einer jungen Frau befreit zu sein. Tatsächlich sehr angenehm, umso mehr, als er Fenna wirklich mochte. Gewiss würde sie einige Zeit trauern, sie war eine empfindsame junge Dame. Mit etwas Glück würde sie sogar fast ein Jahr trauern, und wenn dann Christian zurückkehrte, ein äußerst ansehnlicher junger

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