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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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könntet? Ich wäre Euch sehr verbunden.»
    «In einer Poststation, Mademoiselle, wird nichts übersehen. Und die Körbe von den Kutschen werden geleertund gleich wieder aufgeladen, gefüllt mit der Post, die von unserer Stadt in die Welt gehen soll. Ich darf sagen: in alle Welt.»
    «Natürlich», murmelte Rosina. Am liebsten hätte sie die gesiegelten und verschnürten Briefe, die in den Fächern und in Stapeln auf dem langen Tisch darauf warteten, abgeholt zu werden, selbst durchgesehen.
    «Ihr solltet auch bei der Station am Speersort fragen, Mademoiselle, im Kontor der Kayserlichen Reichspost. Man weiß nie genau, welche Gesellschaft unsere», er hüstelte und seine Lippen kräuselten sich zu einem vertraulichen Lächeln, «unsere Lieben wählen, wenn sie uns mit Briefen beglücken. Man weiß es nie. Wenn Euch Nachricht aus Göttingen avisiert ist, kann sie auch bei den Kayserlichen auf Euch warten, deren Posten kommen wie unsere aus dem ganzen Reich. Oder, auch das ist bei Post aus Göttingen möglich, bei der Königlich Preußischen Station in der Grünen Straße. Wenn Ihr ganz sichergehen wollt», fügte er hastig hinzu, weil sie sich schon zum Gehen wandte, «fragt auch bei den übrigen acht Stationen. Recht bedacht könnt Ihr die Schwedische wie die Dänische Post auslassen, die kommen ja aus dem Norden. Auch die Station am Grimm, dort kommen nur die Lübecker, Holländischen, Pommerschen und Mecklenburgischen reitenden Posten an. Vielleicht auch   … wartet.»
    Er drehte sich zu der Tabelle mit den in der Stadt ankommenden und abgehenden reitenden und fahrenden Posten um, die hinter ihm an der Wand hing. Es war eine lange Tabelle, die kleine Schrift schwer zu entziffern, und als er sich endlich wieder umdrehte, war er allein.
    Den jungen Frauen wurden heute viel zu viele Freiheiten gestattet, dachte er und vergaß, dass auf das Komödiantenvolk noch das alte ‹vogelfrei› passte. Nicht nur ließ mansie allein zu einer Poststation gehen und womöglich heimlich Briefe abholen, insbesondere zu der am Hafen, wo sich viel ungehobeltes Volk herumtrieb, auch die Erziehung zu Sanftmut und Geduld, die edelsten weiblichen Tugenden, wurde sträflich vernachlässigt. Wieder einmal war der Posthalter froh, dass seine Gattin ihm fünf Söhne geboren hatte und keine einzige Tochter.
    Morgen, versprach sich Rosina, als sie den Weg durch die Stadt zurückeilte, würde sie nicht nach Post fragen. Keinesfalls. Auch übermorgen nicht. Und überübermorgen   …
    Seit zwei Wochen wartete sie vergeblich auf einen Brief von Magnus Vinstedt. Seit sie einander im vergangenen Sommer in London getroffen hatten, wobei ‹getroffen› ein zu allgemeines Wort für das miteinander Erlebte war, und ihre Wege sie zum Ende jenes ereignisreichen Sommers in entgegengesetzte Richtungen der Windrose getrieben hatten, waren sie einander durch Briefe verbunden geblieben. Briefe, die immer länger und vertrauter wurden. Für eine fahrende Komödiantin und einen Mann, der es sich erlaubte, zum Vergnügen in fremde Länder zu reisen, bevor er entschied, wo und mit welcher Profession er sich niederlassen wollte, war eine Korrespondenz nicht einfach. Einige Briefe waren wegen der ständig wechselnden Anschriften verloren gegangen oder hatten ihr Ziel zu spät erreicht. Das hatte das Wachsen der Vertrautheit nicht behindert, sondern die schließlich zumindest zwischen den Zeilen zu lesenden Versprechen inniger Verbundenheit sogar befördert.
    Wenn sie in diesem Sommer nach Hamburg zurückkehre, hatte er in seinem letzten Brief geschrieben, werde er sie dort erwarten. Sehnlichst erwarten, hatte er hinzugefügt und noch einige weitere süß klingende Worte. Ihr Herz hatte heftig geklopft, ob vor Freude oder Bangigkeit,hatte sie nicht gewusst. Plötzlich war sie beinahe so froh wie ungeduldig gewesen, weil es bis dahin noch etliche Tage dauern würde.
    Dann hatte die Becker’sche Komödiantengesellschaft endlich Hamburg erreicht, die Wagen rollten in den Kröger’schen Hof, und die Krögerin eilte ihr entgegen, einen Brief in der Hand schwenkend, aus gutem Papier und sorgfältig versiegelt. Sie hatte ihn rasch in die Tasche gesteckt und erst geöffnet, als sie allein war. Nur um zu lesen, dass er abgereist war. Eine eilige Angelegenheit rufe ihn nach Göttingen, er werde schreiben, sobald er angekommen sei. Sie möge bei der Station der Hannöver’schen Post auf der Hohen Brücke nachfragen, dorthin werde er alle Post senden, bis er so rasch als

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