Der Tote im Eiskeller
Herrmanns bespricht geschäftliche Dinge nie mit mir, und eine Prüfung der Verhältnisse eines Heiratskandidaten ist natürlich eine geschäftliche Angelegenheit. Ich habe tatsächlich gehört, Euer Vater wollte seinen ältesten Sohn wieder in seine alten Rechte einsetzen. Das kann Euch nicht gefallen haben.»
«Nein, Madame, das hätte mir in der Tat nicht gefallen. Aber es trifft nicht zu. Wenn Ihr nun noch wissen wollt, was ich dann getan hätte: Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich hätte ich meinen Anteil genommen und eine eigene Gärtnerei eröffnet. Oder ich wäre nach England gegangen. Mein Handelspartner in London hat mir schon lange angeboten, bei ihm zu arbeiten. Er macht seine besten Geschäfte mit amerikanischen Bäumen, die er aus Samenzieht und für unsere Breiten akklimatisiert, bevor er sie nach ganz Europa liefert. Es wäre eine interessante Arbeit. Und ein guter neuer Beginn. So fern von allem», fügte er nach einem tiefen Atemzug hinzu. Es klang bitter. Und ein kleines bisschen sehnsüchtig.
Anne hatte in Elias Malthus niemals einen Funken Abenteuerlust vermutet. Möglicherweise hatte sie sich geirrt. Möglicherweise hatte sie (und nicht nur sie) sich in dem ganzen Mann geirrt. Leider war nun nicht der Moment, die verborgenen Qualitäten oder Abgründe im Charakter des jüngeren Malthus zu erkunden.
«Für einen Mann von Ehre muss es schwer sein, von der Mitgift und dem Erbe seiner Frau zu leben», sagte sie mit frommem Blick. «Das hätte er zwangsläufig gemusst, wollte er Fenna ihren gewohnten Lebensstil nicht vorenthalten.»
«Sagtet Ihr nicht, Ihr seid eine Freundin klarer Worte? Was wollt Ihr wirklich wissen? Lasst mich raten: Ihr wollt wissen, ob Viktor unredliche Geschäfte und Pläne gemacht hat. Tut Euch keinen Zwang an, Madame, damit könnt Ihr mich nicht schrecken. Ich lese es unausgesprochen in vielen Gesichtern, auch der Weddemeister hat in dieser trüben Ecke herumgestochert. Ich sage Euch das Gleiche wie ihm: So wenig ich meinen Bruder letztlich kannte, weiß ich, dass er so etwas nicht getan hätte. Niemals. Nach einem hat der Weddemeister nicht gefragt, ob aus Rücksicht oder Dummheit, möchte ich nicht entscheiden, nämlich nach den Munitionsdiebstählen der letzten Wochen. Aber keine Unterstellung ist töricht genug, um nicht laut zu werden. Ich weiß von diesem Gerücht vom Aufseher meines Gartens am Gänsemarkt. Er ist ein loyaler Mensch und lässt mich wissen, was hinter meinem Rücken geredet wird. Um es ganz klar zu sagen: Auch für eine solche
aventure
wie denDiebstahl von Munition und Gewehren, dazu in seiner eigenen Stadt, war mein Bruder zu klug. Die einzige Torheit, die er hin und wieder beging, war das Lottospiel, doch darin befand er sich in der allerbesten Gesellschaft. Und nun erlaubt, dass ich mich verabschiede. Verzeiht, wenn ich nicht den Ton getroffen habe, der in einem Salon üblich ist. Ich bin ein geduldiger Mensch, das bringt mein Beruf mit sich, aber die Flut der Verdächtigungen, die uns plötzlich aus allen Ecken entgegenbrandet, macht mich das hin und wieder vergessen.»
Elias ließ ihr keine Zeit, nach dem Diener zu rufen, damit er ihren Gast hinausbegleite. So brachte sie ihn selbst die Treppe hinunter und zur Tür, genau genommen eilte sie ihm nach. Dann fiel die Tür ins Schloss, und sie stand in der Diele, verwirrt und beklommen, weil sie nicht wusste, wer die Regeln der Salongespräche gebrochen hatte: sie selbst mit ihrer Neugier oder Elias mit seiner unerwarteten Heftigkeit.
Dafür, dass er von seinem Bruder nichts wusste, hatte er doch einiges gewusst. Oder behauptet, es zu wissen. Und nun?
Sie lauschte in des große Haus. Aus dem Souterrain kamen die vertrauten Küchengeräusche, das Klappern der Töpfe und des Geschirrs, gedämpfte Stimmen, ein prustendes Lachen des Aschenmädchens. Von den Räumen des Kontors her war wie gewöhnlich gar nichts zu hören, was sie immer wieder wunderte. Und von oben? Eine Tür wurde geöffnet, eine energische Stimme (Thea!) sprach zu einer dünneren – Anne verstand die Worte nicht, das konnte nur der Schneider sein, der von Fennas Zofe verabschiedet wurde. Anne kannte ihn als geschwätzigen Mann, wenn er sie in der Diele traf, würde sie seinem Redeschwall kaum entkommen.
Sie griff nach dem Wolltuch, das auf der alten Truhe neben der Tür lag, schlang es um die Schultern und schlüpfte rasch hinaus auf die Straße. Elsbeth würde ihr Tuch nicht vermissen, um diese Zeit verließ sie ihre Küche
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