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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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bringende Apparatur. Vielleicht war ihre Arbeit doch eine Kunst. Auch auf dem Theater wurde mit Apparaturen und Maschinen gearbeitet; sie hatte nie gedacht, die damit geschenkten Illusionen seien Scharlatanerie und betrögen das Publikum. Rudolfs Donnermaschine und sein Flugwerk, seine Zauberei mit dem Magnesium und anderen leuchtenden und zischenden Substanzen, die bewegten Kulissen, selbst Schminke und Kostüme   – Illusion, gleich dem Spiel mit der Laterne.
    Auf Malines Tisch herrschte peinliche Ordnung. Verschiedene Farbsteine und kleine Schachteln mit Farbpulverstanden in akkuraten Reihen. Da gab es Umbra, Bleiweiß, feuerrotes Karmin und blauen Lackmus, aus verkohlten Knochen geriebenes Beinschwarz, violetten Indigo, Ultramarin und Grünspan, grünlich gelbes Gummigutt und sogar eine winzige Portion des kostbaren Safran, für die braunroten Töne Drachenblut aus dem Harz indischer Bäume. Davor lag die Palette mit den angerührten Farben. Im Becher standen nur die beiden dickeren Pinsel, die feinen, die für die Miniaturen häufiger gebraucht wurden, lagen ausgespült auf einem Tuch, damit die zarten Härchen vor Schaden bewahrt wurden. Maline arbeitete mit Wasserfarben. Ölfarben ließen das Licht kaum passieren, auch trockneten sie zu schwer und bekamen leicht Risse. Nur wenn Teile der Bilder ganz schwarz erscheinen sollten, tauchte sie den Pinsel in dunkle Ölfarbe.
    «Schau», sagte sie und hielt Rosina eine etwa handtellergroße quadratische Glasscheibe entgegen, «was sagst du dazu?»
    Rosina nahm die Scheibe behutsam zwischen Daumen und Zeigefinger, doch ihr Blick hielt etwas anderes fest. Am Fenster stand ein schlichter Weidenkäfig, auf einer dünnen, zwei Zoll breit über dem Boden angebrachten Stange hockten zwei gelbbraun gefiederte Knirpse.
    «Kanarienvögel», stellte sie fest. «Woher hast du sie? Sind die nicht schrecklich teuer?»
    Maline hob gleichmütig die Schultern. «Wenn man es versteht zu handeln, bekommt man einen guten Preis. Um ehrlich zu sein: Den kleineren hat der Händler mir geschenkt, weil ich nur genug Geld für einen hatte. Ich wollte schon immer welche haben. Sind sie nicht anmutige kleine Geschöpfe?»
    «Sehr anmutig. Solange sie in der Nacht aufs Singen verzichten.» Als habe der größere der Vögel Rosinas Worteverstanden, gab er einen langen Triller zum Besten, sein zarter Körper schien sich zu blähen und zu wachsen.
    Maline lachte. «Fast so schön wie die Musik deiner silbernen Flöte», sagte sie. «Keine Sorge, am Abend lege ich ein dunkles Tuch über den Käfig, dann bleiben sie sogar nach Sonnenaufgang still.»
    «Die armen kleinen Sänger.» Rosina mochte keine Käfige, sie war sicher, Vögeln, seien sie noch so klein, ging es ebenso. «Wie werden sie im Winter die langen Reisen auf den Straßen überstehen?»
    «Oh, daran habe ich nicht gedacht. Ich war zu lange sesshaft.» Maline lachte. «Einstweilen können sie für uns singen. Wir bleiben doch einige Wochen hier. Und dann? Ich könnte sie Madame Kröger schenken. Glaubst du, sie würde sie mögen?»
    «Bestimmt», sagte Rosina, die gerade überlegt hatte, ob ein heimliches Öffnen des Käfigs für die Vögel Freiheit oder den sicheren Tod bedeutete. «Sie wird sie vor lauter Liebe füttern, bis sie genauso rund sind wie sie selbst. Aber nun deine Bilder.» Sie hielt die Glasscheibe gegen das Licht und kniff die Augen zusammen. «Es ist so klein», murmelte sie, «was stellt es dar? Was tut der Mann?»
    Maline kicherte boshaft. «Nimm das Leseglas», sagte sie, «das benutze ich auch beim Malen. Dann wirst du es gleich erkennen.»
    Rosina hielt die von einem Hornrahmen gefasste Vergrößerungslinse vor die zierliche Malerei und suchte den richtigen Abstand. Maline mochte eine wenig begabte Komödiantin sein, ihre Talente als Malerin waren beachtlich.
    «Er steht im Wasser», rief sie. «Du hast den Mann gemalt, den die Räuber im Fleet fast haben ertrinken lassen.»
    «Ja. Und hier», Maline reichte Rosina eine zweite bemalteGlasscheibe, «auf diesem steht das Wasser schon höher, und sein Gesicht ist von Angst verzerrt. Auf einem dritten steht es ihm bis zum Kinn. Wenn man sie nacheinander in der richtigen Geschwindigkeit durch den Lichtstrahl schiebt, wirkt es, als könne man beobachten, wie das Wasser steigt und steigt. Es ist immer gut, Ereignisse der Stadt vorzuführen, besonders gut, wenn es grausige Ereignisse sind. Die Menschen», sagte sie plötzlich streng, «mögen Grausamkeiten.»
    «Solange

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