Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
Steuermannschule. Dafür wird das Geld jetzt wohl reichen, wenn er es nicht versoffen oder mit den Huren durchgebracht hat. Als Harpunier hat er ja besser verdient als die einfachen Seeleute.»
    Jakobsen knurrte Unverständliches, dann sagte er: «Du bist ein verdammt Neunmalkluger, Servatius, eines Tages wird dir das noch jemand austreiben. Keine Ahnung, was Rutger jetzt machen will», erklärte er den anderen. «Sein Bruder ist gestorben und sein Vater alt. Ich dachte, er wollte den kleinen Hof wieder in Schuss bringen, womöglich auch Land dazupachten. Das wird nun nichts. Diese verdammt Flut, von Magdeburg bis vor unsere Tore hat sie Land gefressen und lässt die Leute hungern. Der Postillion von der Hannöver’schen sagt, weiter die Elbe rauf könne man keine Meile fahren, ohne auf Horden von hungerndem Bettelvolk zu treffen. Die Ermkendorfs gehören auch zu denen, die es besonders schwer erwischt hat. Es war im letzten Jahr schon schlecht gegangen, das Saatgut ist ihnen verdorben, und sie mussten welches auf Pump kaufen. Und jetzt, ganz ohne Ernte – wovon sollen sie das zurückbezahlen und noch neue Saat kaufen? Die haben nichts mehr, und wenn doch, dann brauchen sie alles, was sie zusammenkratzen können, um den Winter über irgendwie halbwegs satt zu werden. Sie sind bankrott und verlieren ihr Land. Wie viele andere auch.»
    «Wieso?», fragte Rosina. «Ich denke, er hat als Harpunier gut verdient.»
    «Was weiß ich?» Jakobsen mochte diesen Einwurf nicht. «So viel wohl auch wieder nicht. Was Servatius sagt, muss noch lange nicht stimmen. Du kannst Rutger selbst fragen, wenn er mal wieder hier sitzt. Jedenfalls weißt du jetzt, dass er keiner ist, der einen anderen Mann so einfach sterben lässt. Und warum auch? Warum Malthus? Nur so aus Spaß?»
    «Bestimmt nicht», sagte Helena und seufzte, weil ihr die Vorstellung eines Walfängers, der die großen Tiere nicht sterben sehen mag, viel besser gefiel als Vandenfeldes Jammer wegen der Kälber, deren teures Fleisch sie als sehr delikat empfand.
    Jean hätte ihr gewiss zugestimmt, aber er sagte gar nichts. Er hatte seinen Kopf auf die Arme gelegt und schlief. Zum Glück, ohne zu schnarchen. Titus starrte in sein Bier und Maline zerkrümelte gedankenverloren die letzten Brocken ihres Brotes. Servatius war immer noch beleidigt.
    «Woher weißt du das alles, Jakobsen?», fragte Rosina. «Mir erschien er nicht wie jemand, der sein Herz auf der Zunge trägt.»
    «Wer weiß, vielleicht tut er es doch. Ein Wirt hört viel, wenn die Nacht lang ist.» Jakobsens Grinsen war mit einer Prise Boshaftigkeit gewürzt. «Ich sag’s dir aber nicht. Sonst hast du heute Nacht nichts zum Grübeln.»
    Rosina lachte. «Wer sagt dir, dass ich meine Nächte mit Grübeleien verbringe, Jakobsen? Ich schlafe wie ein Murmeltier. Wenn du schon nicht weißt, woher du dich so gut im Seelenleben eines Harpuniers auskennst, weißt du sicher auch nicht, wo diese Kate stand. Wahrscheinlich direkt hinter dem Deich. Dort sollen Sand und Morast am höchsten auf den Feldern liegen.»
    «Falsch geraten, Mademoiselle Neugier, das weiß ich wohl, jedenfalls mehr oder weniger
.
Irgendwo auf Spadenlandoder auf Tatenberg, die ehemaligen Flussinseln haben mit Ochsenwerder einen gemeinsamen Binnendeich. Das ist ja das doppelte Pech, der hatte nämlich gehalten. Zuerst sah es so aus, als bleibe das Land dahinter verschont. Dann haben sie den Deich durchstochen – mussten sie ja, sonst wäre auch die halbe Stadt abgesoffen   –, so hat’s die Ermkendorfs doch noch erwischt.»
    «Und der konnte nur durchstochen werden», begann Rosina, «weil die Garnison   …»
    «Ich bin schrecklich müde», fiel ihr Maline gähnend ins Wort, «entschuldige, Rosina, es ist schon spät, und ich möchte schlafen gehen. Kommt jemand mit nach Hause?»
    Bevor sie eine Antwort bekam, stand Lineken am Tisch und beugte sich zu ihr hinunter. «Der Herr dort drüben», wisperte sie mit verschwörerischem Lächeln und zeigte mit dem Daumen über die Schulter zu dem Tisch, an dem immer noch Jakobsens ‹Herrschaften› saßen, «er sagt, du sollst an seinen Tisch kommen. Er kennt dich, sagt er, du wüsstest schon, woher und auch warum.»
    Maline, die schon halb aufgestanden war, versuchte an Lineken vorbei zu erkennen, wer dort nach ihr schickte. Alle am Tisch wandten sich um und sahen nach den drei Männern. Einer der beiden jüngeren hob sein Glas, prostete Maline zu und winkte sie mit gekrümmtem Zeigefinger heran.
    «Wer

Weitere Kostenlose Bücher