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Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
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Es-wird-kein-Widerspruch-geduldet-Tonfall.
    Gina schwänzelte herein und stellte Kekse hin. Ihr schwarzes Stretchkleid, ein Schlauch mit Ärmeln, spannte bei jedem Schritt und betonte den Po. Sie sagte:
    »Ich glaube, ich kenne den Typ, der den Kerl im Hotel ermordet hat, diesen Hugin … Hugen … na, so ähnlich.«
    Richard Herzschlag stockte und setzte mit einem wilden Tremolo wieder ein.
    »Verschonen Sie uns, Gina«, sagte Lucie, die es überhaupt nicht schätzte, wenn sich das Personal ins Gespräch einmischte.
    Aber Angela war neugierig.
    »Wer soll's denn sein? Kennen wir ihn?«
    »Na, der Typ auf dem Bild im Fernsehen sieht jedenfalls genau aus wie der eine von der Mohrenapotheke, bißchen dünner vielleicht.«
    Richard traten vor Erleichterung Tränen in die Augen. Er war froh, daß Angela sich eine Zigarette anzündete. Er wedelte mit der Hand den Rauch vor seinem Gesicht fort, um die tränenden Augen zu rechtfertigen. Lucie warf ihrer Tochter einen vorwurfsvollen Blick zu, orderte aber bei Gina einen Aschenbecher.
    Die Stimmung wurde immer etwas gereizt, wenn Angela rauchte. Richard hatte früher exzessiv geraucht, jetzt mußte man sich vorsehen. Jugend berechtigte zur Maßlosigkeit. Alter zwang zur Mäßigung. Schade. Nun, nicht auf allen Gebieten. Beim Gedanken an Britta hätte er beinahe geschmunzelt. Wechselbad der Gefühle. Hätte ich verzichtet, wenn ich die Folgen gekannt hätte? Ja. Natürlich. Unbedingt.
    Lucie unterbrach seine Gedanken: »Hast du nächste Woche wieder in Leipzig zu tun, Richard? Ich habe überlegt, ob ich nicht mitkommen sollte. Ich würde mir in Ruhe die Stadt ansehen und vielleicht ins Konzert gehen. Was meinst du dazu?«
    Richard war plötzlich glücklich. Er fühlte sich erlöst. Ja, er würde mit seiner Frau nach Leipzig fahren, obwohl er das eigentlich nicht geplant hatte, und die Geschichte mit Bribri vergessen. Ein für allemal. Letztlich hatte sie ihm alles eingebrockt.
    »Sehr gute Idee. Am nächsten Donnerstag muß ich im Werk mal wieder nach dem Rechten sehen. Das wußten sie im Ostblock immer schon: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Und ich biete mich hiermit auch zugleich als aufmerksamer und attraktiver Begleiter für das Konzert an. Was meinst du?«
    »Sehr gut. Kann deine Sekretärin sich um Karten kümmern?«
    »Wir werden uns etwas Schönes besorgen lassen, okay?«
    »Sag nicht immer okay, Richard.«
    »Siehste, Paps, Mami ist die geborene Erzieherin. Ihr werdet das eleganteste Paar dort sein.«
    »Ist das nun Ironie oder töchterliche Voreingenommenheit?«
    »Wird nicht verraten. Gerade die sphinxhafte Note ist ja eine meiner faszinierendsten Vorzüge.«
    Lucie lächelte. »Wirrkopf.«
    Später saß Richard in der Bibliothek. Er las die Zeitung und trank Cognac. Nachher würde er Lucie in ihrem Zimmer besuchen und mit ihr schlafen in ihrem breiten Bett mit den stets weißen Bezügen. Sie würde nach ›Jolie Madame‹ duften und anmutig seufzen, wenn sie kam.
    Die Welt schien wieder in Ordnung zu sein. Der Kelch war vorübergegangen. Die Zeitung war voll von Berichten über Kriege, Betrugsaffären, Bestechung, Unfälle. Mord und Totschlag – nichts Besonderes. Solange man Zuschauer sein durfte.

4. Kapitel
    Britta saß im Dunkeln. Sie zitterte. War es vor Kälte? Oder vor Angst? Nein, richtige Angst war es nicht. Jedenfalls nicht die Art Angst, die sie kannte.
    Alles in ihr war eiskalt, auch das Gehirn schien erfroren zu sein. Sie hatte weder Hunger noch Durst. Kein körperliches Bedürfnis. Muskeln und Sehnen, die anfangs stark geschmerzt hatten beim durch die Fesselung unbeweglichen Sitzen, meldeten kein Gefühl mehr. Ihr Gesicht hatte geschmerzt nach dem Schlag. Auch das war überstanden. Abgestorben.
    Diesen Zustand mochten Fakire erreichen. So ähnlich könnte es sein, wenn man erfror. Gleichgültigkeit. Totale Kapitulation.
    Britta merkte, daß sie doch noch einer Regung fähig war: Sie wartete auf den Engel. Irgendwann würde er wieder erscheinen und ihr befehlen, was sie tun und sagen sollte.
    Aber er kam nicht. Er ließ sie im Stich. Dann verging auch diese Regung. Diese merkwürdige Sehnsucht nach dem Peiniger. Sie würde sterben.
    Weshalb? Es war nicht mehr wichtig.
    Plötzlich schien Licht vor ihren Augen zu explodieren. Sie schreckte hoch. Da stand er. Der Schöne, die Verkörperung ihrer Wünsche und Fantasien von damals, vor einer Ewigkeit, als sie noch heiter und sieghaft gewesen war. Ihr Kerkermeister. Die einzige Person, die noch

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