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Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
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verstärkt durch Seemannsromantik aus der Musikbox. Vielleicht stellte sich eine Art Nestwärme ein, wenn es hier voll war und angefüllt mit Stimmengewirr. Aber um diese Zeit war es noch fast leer.
    Richard setzte sich an einen der Tische, bestellte bei einem betont vergnügten alten Mann das als Mindestverzehr vorgeschriebene ›Gedeck‹, Bier und Schnaps, und schaute sich um. Er wartete. Nach einiger Zeit gesellte sich tatsächlich ein junger Mann zu ihm, dem er ebenfalls ein ›Gedeck‹ bestellte. Der Mann trug eine schwarze Lederjacke und eine Kreole im Ohr, und Richard dachte flüchtig, daß diese Typen tatsächlich so aussahen wie im Film. Vielleicht richteten sie ihr Outfit sogar nach ›Derrick‹ oder ›Tatort‹? Richard fragte den Mann rundheraus, wo man eine Waffe zu kaufen kriegte, ›ohne Fisimatenten und gegen gute Bezahlung‹.
    Der Mann erklärte in leicht singendem Tonfall – Richard tippte auf Wien –, das habe er sich schon gedacht.
    »Jemand wie Sie kommt sonst nicht her. Höchstens wenn er schwul ist, aber da kenn' ich mich aus. Sie könnten natürlich auch ein verdeckter Ermittler sein, aber diese Typen von der Kripo, die nicht als solche erkannt werden wollen, tarnen sich meistens viel zu perfekt. Sonst wäre das bei Ihnen eine neue Masche. Aber sie wissen wohl: Wir lassen uns hier nicht verarschen. Wir sind nett, können aber auch ungemütlich werden. Wollen Sie Hasen jagen?«
    »Kaninchen. Sie nehmen im Garten überhand.«
    Der Mann lachte.
    »Kommt immer mal wieder vor, daß in den Gärten Karnickel überhand nehmen. Warten Sie hier. Es kann etwas dauern. Trinken Sie noch was, das freut den Wirt.«
    Nach einer guten Stunde war er zurück. Richard war vor Aufregung naßgeschwitzt. Das Lokal füllte sich allmählich. Niemand hatte besonders Notiz von ihm genommen. Es kam ihm so vor, als wüßten alle hier Bescheid. Er bemühte sich jedoch um ein Pokerface und widerstand dem Impuls, einfach wegzugehen. Dem Schicksal seinen Lauf zu lassen. Nein, das wäre unter seinem Niveau gewesen.
    Der Mann mit dem Ohrring sagte zu ihm:
    »Kommen S' mit. I hoab oanen.«
    Richard zahlte. Er hatte Angst. Was war, wenn sie ihn niederschlugen und beraubten? Töteten? Er mußte es riskieren.
    Der Mann mit dem Ohrring führte ihn ein paar Straßen weiter. Die Gegend war ruhig, keine Glitzerwelt, kleinbürgerlich vielleicht. Stille Straße, stille Häuserzeile. Durchgang zu einem Hinterhaus. Dort standen zwei Kerle, eigentlich sahen sie ganz ordentlich aus.
    Es seien abgemusterte Russen, die aus Militärbeständen allerlei feine, noch brauchbare Sachen verscheuerten, erklärte sein Vermittler. Alles, was nicht niet- und nagelfest gewesen sei in Wünsdorf oder Potsdam. Nachtsichtgeräte, Uzi-Maschinenpistolen, Pumpguns und die sogenannten Sportwaffen. Schwarze Schafe gebe es ja überall.
    Der eine der beiden Russen hielt Richard stumm ein Päckchen hin, eingeschlagen in ein Stück Packpapier. Richard schlug es auseinander. Eine Pistole. Sein Vermittler erklärte, das sei eine »Neun-Millimeter Makarow, erstklassige Qualität, mit genügend Munition für eine ganze Karnickelarmee! Zwofünf Mille und für mich zwohundertfünfzig.«
    Richard wußte nicht, ob das billig oder teuer war. Er hatte fünftausend Mark dabei, mehr nicht, denn zuviel wäre wohl ein Anreiz für Verbrecher gewesen. Er hatte die Scheine an verschiedenen Stellen in seiner Kleidung versteckt. Die im Schuh rührte er nicht an.
    Sie schüttelten sich alle die Hände. Richard wartete, bis die Russen ihm den Rücken zudrehten und gingen. Er hätte auch seinem Vermittler am liebsten bei seinem Abgang das Gesicht zugedreht, aber er überwand sich. Sein neuer Kumpel lief noch ein Stückchen neben ihm her und verschwand dann in einer Seitenstraße, nicht ohne ihm vorsorglich den günstigsten Weg zurück erklärt zu haben.
    Richards Herz klopfte heftig. Die Waffe in seiner Gürteltasche unter dem Anorak verlieh ihm ein neues Selbstvertrauen. Er würde sich nicht erpressen lassen. Und er würde auch kein Geständnis ablegen. Der Skandal wäre sein Untergang.
    Lucie verzieh nicht, das wußte er. Ihr Gatte mit einer jungen Geliebten, in einen Mordfall verwickelt, durch die Presse geschleift mitsamt der Familie, nein, da würde der Alte von seiner Wolke aus drohen und sein braves Töchting ermutigen, den Kerl abzustoßen. Nach der Scheidung wäre Richard Hornung einer, von dem kein Köter mehr ein Stück Brot nähme. Richard konnte sich auch schon gut

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