Der Tote im Grandhotel
Geselligkeit.
Der Alkohol rann eiskalt ihre Kehle hinunter und kam deutlich im Magen an. Ihr wurde warm. Die Welt sah freundlicher aus.
»Essen!« ermunterte Onkel Kolja sie, und sie griff zu. Wenn sie das hier überhaupt durchstehen wollte, mußte sie etwas Kräftiges im Magen haben. Ihr Kopf fühlte sich angenehm benebelt an. Alles war ein Abenteuer, die Welt eine große Party. So mußte man es betrachten.
Sie sah sich um, während die beiden Männer miteinander redeten, mit vielen Zischlauten und rollendem Rrr, der Ton im Rachen angesetzt. ›Seafood Murmansk‹, natürlich, Seafood war englisch, aber Murmansk war ein russischer Hafen.
Vielleicht hatten diese Leute wirklich einen Großhandel, und der alte Onkel mit seinem gelben Köter war einfach ein perverser Greis, der sie zu seiner Unterhaltung ins Haus geholt hatte? Sie verscheuchte das Bild des Toten im Hotel und auch die Erinnerung an Vlados Foltermethoden und lächelte ihn versuchsweise an.
Er lächelte zurück. Etwas später sagte er ihr, sie wollten ›noch ein paar Bilderchen‹ machen.
»Wir warten noch auf Tatjana.«
Einige Minuten später erschien Tatjana. Sie sah gut aus, mit ebenmäßigen, harten Zügen, mochte um die Vierzig sein. Das schwarze Haar hatte sie nach Art vieler Models ganz straff zurückgekämmt und im Nacken zu einem Knoten geschlungen. Eine eisige Madonna in Weiß. Sie trug einen Bademantel, wie ihn Britta ebenfalls in ihrem Zimmer hatte.
War diese Tatjana, die ihr ernst die Hand gab, vielleicht gleichfalls eine Gefangene? Nein, dafür wirkte sie zu selbstsicher und vertraut mit den beiden Männern, die sie gar nicht beachtete. Vielleicht hatten sich die drei schon vorher gesehen?
Tatjana sprach Russisch. Sie trank gleichfalls Wodka, danach Tee, aß aber nichts, sondern rauchte in kurzen Abständen zwei Zigaretten, während sie mit durchdringender Altstimme ziemlich viel redete. Überraschend wandte sie sich an Britta:
»›Seafood Murmansk‹ ist eine internationale Firma. Hast du das Schild neben der Einfahrt gesehen? Im- und Export. Kaviar, Fischkonserven, Muscheln, Getränke. Aber auch Videos und Video-Clips. Onkel Kolja will einen Clip mit uns beiden machen. Okay?«
Britta nickte, von schlimmen Vorahnungen erfüllt. Kurz darauf gingen sie alle nach oben, in Onkel Koljas Schlafzimmer.
Tatjana zog ihren Mantel aus. Sie trug ein strammes schwarzes Mieder darunter, das ihren Busen und den Po freiließ. Sie half Britta aus ihrem Anzug und lächelte, als sie sah, daß sie nichts darunter anhatte.
Eine Kamera war aufgebaut, hinter die Vlado sich nun stellte. Alles lief routiniert ab. Ehe sie sich versah, hatte Tatjana Britta eine schwarze Maske über den Kopf gestreift. Und sie legte ihr ein Halsband um. An einer Leine konnte man die Haltung ihres Oberkörpers korrigieren.
Britta konnte durch Augenschlitze sehen. Ihr Mund blieb frei. Tatjana führte sie zu Onkel Koljas Bett, mit dem Britta schon Bekanntschaft hatte machen müssen, und nötigte sie auf die Felldecke.
Die gelbe Dogge verließ ihren Fensterplatz und sprang auf das Bett.
Tatjana nahm Ketten aus einer Eisentruhe und befahl Britta, die Arme auszustrecken, wie am Kreuz. Britta schüttelte den Kopf, versuchte sich vornüber zu neigen. Instinktiv leistete sie Widerstand. Sie merkte, daß die Kamera bereits lief.
Der Schmerz traf sie unvermittelt. Tatjana hatte mit einer Stahlrute zugeschlagen. Britta schrie auf. Tränen schossen in ihre Augen. Tatjana bedeutete ihr, sich gerade aufzusetzen, mit dem Rücken dicht an den Betthimmel gelehnt.
Britta wagte nicht, an sich hinunterzusehen, aber sie war sicher, daß sie aus einer Wunde quer über Brust und Bauch blutete.
Tatjana spreizte Brittas Beine und befestigte mit Riemen eine Art Balken zwischen den Fesseln. Dann schob sie nacheinander eine Mohrrübe, eine Gurke und etwas sehr schmerzhaft Stacheliges ein, trat jedesmal zurück, um der Kamera das Schußfeld freizugeben, während Britta wimmerte und heulte. Die Tränen suppten hinter ihrer Maske, sie begann zu betteln, sie möchten aufhören.
Aber Onkel Kolja hatte sich ein Gewand mit Kapuze übergeworfen, wie vom Ku-Klux-Klan sah er aus. Wie einer dieser Menschen in Amerika, die ihre Opfer kreuzigten und verbrannten.
Mit schwindenden Sinnen spürte sie mehrmals den Hieb der Stahlrute. Dann zog sich Onkel Kolja zurück. Tatjana ergriff Brittas linke Brustwarze und stach eine dicke Nadel von oben nach unten hindurch.
Britta mußte ohnmächtig geworden sein,
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