Der Tote im Grandhotel
ernst geworden. Es berührte ihn unange-
nehm. Er drückte ihre Hand und lachte, scheinbar amüsiert.
»Keine fremden Bienen. Ich diene nur meiner Bienenkönigin. In
Ewigkeit.«
Sie entzog ihm ihre Hand.
»Kein Grund, Witze zu machen.«
»Verzeih mir.«
»Natürlich. Ich werde uns doch dieses Wochenende nicht verder-
ben.«
Sie tranken in der Hotelbar noch einen Whisky sour, als ›anregenden Abschlaffer‹, wie der Barmann sagte. Als sie allein im Fahrstuhl hochfuhren, machte die ungewohnte Nähe sie leicht verlegen.
Lucie blieb lange im Bad, wie jeden Abend. Richard trat auf den Balkon hinaus und rauchte eine Zigarette. Später schliefen sie miteinander, sehr zufriedenstellend, er war gut in Form und sie gelöster als sonst.
Um zwölf Uhr küßte er sie, sang sogar ›Happy birthday‹ und
schenkte ihr die kleine Taschenuhr mit Brillanten, die sie bei ihrem Lieblingsjuwelier bewundert hatte.
»Möge sie dir nur glückliche Stunden anzeigen, Lucie.«
Sie dankte ihm.
»Vater hat sich selten geirrt, aber in dir hat er sich geirrt. Er hat dich einfach unterschätzt.«
»Er war eifersüchtig. Du warst sein Augenstern.«
»Und du, Richard? Wirst du deinem Augenstern Angela später
auch das Leben schwermachen?«
»Ich hatte reichlich Gelegenheit, in dieser Hinsicht dazuzulernen.
Und hier ist das Geschenk deiner Tochter, das dir zugleich zeigt, wie sie dein Alter und deine Attraktivität einschätzt. Bitte.«
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Angela hatte ihrer Mami eine Garnitur raffinierter schwarzer Spit-zenwäsche geschenkt, die wie ein Riesenpralinée in Zellophanpapier verpackt und mit Goldband drapiert war. Sie lachten beide.
»Wie süß von Angela. Jetzt müßten wir eigentlich mit Champag-
ner anstoßen.«
»Gute Idee.«
Er holte kurzerhand die Flasche Dom Perignon und zwei Kelche
aus dem Barschrank, in dem alles auf sein Geheiß hin heimlich
postiert worden war. Er war stolz, daß er daran gedacht hatte. Man gab sich Mühe, man lernte viel, aber ganz und gar überwand man
die einfache Herkunft nie.
Am nächsten Morgen hatte Richard Kopfschmerzen. Die heitere
Stimmung der vergangenen Nacht war wie ausgelöscht. Die Schat-
ten der vergangenen Ereignisse zeigten sich wieder.
Er nahm ein Aspirin, duschte, rasierte sich und erfrischte sich mit
›Cool Water‹. Er war fest entschlossen, Lucie seine triste Verfassung nicht spüren zu lassen, gerade jetzt nicht, wo sich zwischen ihnen ein neues, zartes Einvernehmen entwickelt hatte.
Ihm war klar, daß bei ihm das schlechte Gewissen dabei eine Rol-le spielte. Auch Angst vor Entdeckung war im Spiel. Er wollte sich gewissermaßen dort anlehnen, wo die Mauer besonders brüchig
war.
Lucie freute sich über den sonnigen Tag. Sie beschlossen, nicht zum Frühstücksbüfett hinunterzugehen, sondern sich etwas Le-ckeres heraufschicken zu lassen.
Richard bestellte telefonisch. Lucie kam in der neuen Spitzen-
wäsche aus dem Bad, und sie sah in ihrer gut proportionierten Üp-pigkeit wirklich zum Anbeißen aus.
Als es klopfte, zog sie schnell den Morgenrock über. Mit dem
Frühstück wurde ein Fax serviert. Der Kellner lächelte, ja, er strahlte geradezu, und er stellte auch eine Flasche Champagner zu dem
Frühstück und murmelte, dies sei eine Aufmerksamkeit der Hotel-
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leitung.
Er zog erfreut mit einem zu hohen Trinkgeld ab. Das Fax war
von Angela. Sie hatte gedichtet:
Lieb Mamilein, ich denke Dein,
und hoffe nur, die Garnitur
paßt ganz genau der Spitzen-Frau!
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag
von Deiner Angela.
Ein Pfeil verwies auf die Zeichnung einer sehr kurvenreichen Lady im schwarzen Spitzenhöschen.
Lucie lachte, aber Richard merkte, daß sie etwas geniert und un-gehalten war. Diese ›Bloßstellung‹ hatte schließlich unter den Augen des Hotelpersonals stattgefunden, und der Champagner bewies, daß man durchaus über den Anlaß des Fax' informiert war.
Richard fand Lucie wieder einmal kleinkariert, aber er verbot sich alle ärgerlichen Regungen. Lucie hatte Geburtstag. Und er hatte wahrhaftig kein Recht, auf hohem Roß zu sitzen.
Sie machten einen langen Spaziergang und fuhren am Nachmit-
tag ins nahe Freudenstadt, wo sie in einem Café ohne Rücksicht
auf Kalorien Torte mit Sahne aßen.
Abends speisten sie elegant im Hotel. Anschließend ließen sie
sich im Taxi nach Baden Baden ins Spielkasino kutschieren, wo
Lucie beim Roulette mehrmals vergebens ihre Glückszahl sieben
setzte, schließlich aber erheblich gewann.
Richard, der nur
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