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Der Tote im Grandhotel

Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
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sie die De-52
    mütigung der Züchtigung, besonders, als er verlangte, sie solle »Danke, Onkel Kolja« sagen, bis sie es schließlich, nach einer trotzigen Pause, immer wieder hinausschluchzte, weinend wie ein Kind.
    »Danke, Onkel Kolja, danke, Onkel Kolja!«
    Er drehte sie sanft auf den Rücken und betrachtete forschend ihr Gesicht. Dann nahm er sie, ohne sich auszukleiden, erstaunlich
    kraftvoll, keine Spur von dem gebeugten Greis, den Britta als jen-seits von Gut und Böse eingestuft hätte.
    Er erhob sich.
    »Die Schöne und das Biest!«
    Er lachte und ging. Die Dogge rührte sich nicht, schaute aber
    unverwandt zu Britta hin.
    »Guter Hund«, rief Britta ihr zu. Jetzt war schon alles egal. Sie hatte ja gewußt, daß sie hier nicht zur Sommerfrische war. Und dies war wahrscheinlich die einzige Möglichkeit für den unheimlichen Onkel: Er brauchte das angstvolle Opfer, den Landsknechtssieg
    über das erbeutete Weib. So etwas las man ja. Von so etwas hörte man manchmal. Doch so etwas passierte einem nicht. Glaubte man.
    Sie lachte hysterisch. Die Dogge schaute weg, schien wahrhaftig peinlich berührt zu sein.
    Britta überlegte: Was sollte sie jetzt machen? Aufstehen, einen Angriff des reizenden Tieres riskieren, das da auf dem Sprung lag?
    Bestenfalls hinausgehen und das Zimmer von vorhin suchen? Nein.
    Abwarten. Den Schmerz ignorieren. Stark sein. Das imponierte Onkel Kolja. Nur wenn sie Courage behielt, hatte sie Chancen. Sie versuchte, sich aufzurichten und nach dem Bademantel zu greifen, aber der Hund wandte sofort wieder aufmerksam den Blick in ihre Richtung.
    Endlich, es mochten zehn Minuten oder zwei Stunden vergangen
    sein, klopfte es kurz, und Juri trat ein. An seinem Blick erkannte sie, daß es ihn nicht gleichgültig ließ, sie nackt zu sehen, aber er tat unbewegt. Die Dogge erhob sich elegant und schritt zu ihm hin. Er 53
    streichelte sie flüchtig. Dann hob er den weißen Bademantel auf und hielt ihn Britta hin. Er sagte nichts, schien ihre malträtierte Kehrseite nicht zu bemerken, offenbar kannte er die Praktiken seines Herrn und Meisters. Er nahm die Gerte und hängte sie wieder mit dem güldenen Kettchen an den Haken. Wie oft mochte er das
    schon getan haben? Ein anderes Mädchen, dieselbe Gerte? Und was wurde jeweils aus dem Mädchen? Britta hatte einen Ansturm von
    Furcht zu überstehen.
    Juri führte sie stumm hinaus, zurück in das helle Zimmer von
    vorhin. Dort stellte er den Fernseher an und reichte ihr die Fernbedienung.
    »Juri, was wird jetzt mit mir?«
    Er zuckte mit den Schultern. War er stumm? Hatte man ihm die
    Zunge herausgerissen? War sie hier in de Sades Reich gelandet?
    Juri ging. Britta legte sich bäuchlings auf das Bett. Es stand ebenfalls den Fenstern gegenüber und war bedeckt mit einer weißen
    Waffelpikeedecke. Zwischen zwei Fenstern stand der Fernseh-apparat. Es gab Werbespots: Waschpulver und Knusperflocken, Par-füm, Sex und Schokolade.
    Die Schöne und das Tier – oder das Biest? Oder die Bestie? Der
    herrliche Cocteau-Film mit Jean Marais – ach, das hier war gar
    nicht romantisch.
    Aber noch lebte sie ja. Machte sie das Beste draus: guckte sie in die Glotze.
    Doch gleich darauf war Britta eingeschlafen. Sie schlief bis zum nächsten Morgen.
    54
    5. Kapitel
    ucie fürchtete sich vor ihrem fünfzigsten Geburtstag. Sie hätte Les niemals zugegeben, das wußte Richard. Aber es war der Fall.
    Sie haßte alle Formen öffentlicher Vertraulichkeit und vertraulicher Öffentlichkeit. Es paßte nicht zu ihr, Schwächen zuzugeben. Altern empfand sie als Niederlage. Nicht mehr sieghaft jung zu sein, das unterlag nicht dem eigenen Willen, war nicht mit Stolz oder Hoch-mut abzuwenden. Die einzigen Mittel dagegen waren energische
    Pflege und der eiserne Entschluß, die Tatsache nicht an die große Glocke zu hängen.
    Eine rauschende Geburtstagsfeier war also keinesfalls in Lucies Sinne. Richard schlug ihr deshalb vor: »Laß uns in einem schönen Hotel feiern, nur wir drei. Du, ich und Angela.«
    »Wenn du meinst … eigentlich überhaupt kein übler Gedanke…«
    Er sah ihr die Erleichterung an. Lucie hatte kein besonders diffizi-les Mienenspiel, und er kannte alle Nuancen, über die sie verfügte.
    Jedenfalls bildete er sich das ein.
    »Wo, dachtest du?«
    Er schlug ein Hotel im Schwarzwald vor. Es war ein milder Herbst mit rotgoldenen Tagen und kühlen Nächten, in denen die Erde
    nach dem trockenen Sommer aufzuatmen schien. Sie waren vor
    Jahren zusammen in diesem Hotel

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